Regenbogen

[634] Regenbogen nennt man die durch Reflexion und eine eigentümliche Art von Beugung des Sonnenlichtes an Regentropfen auftretenden Bögen, die sich um den Gegenpunkt der Sonne gruppieren.

Die Erklärung von Descartes (1637) [1], die auch heute noch in vielen Lehrbüchern gegeben wird, läßt den Regenbogen durch die Reflexion und Brechung der Sonnenstrahlen an den Oberflächen der Regentropfen entstehen, und zwar bei einmaliger Reflexion den sogenannten Hauptregenbogen, bei zweimaliger den schwächeren Nebenregenbogen. Die Farbigkeit der Bögen komme durch den für verschiedene Farben verschiedenen Brechungsindex des Wassers zustande. Die Durchrechnung ergibt auch richtige Werte für den oberen Rand des Haupt-, und den unteren Rand des Nebenregenbogens; nach ihr müßte aber in allen Regenbögen die Farbenverteilung die gleiche sein, was bei einer genaueren Beobachtung des Phänomens durchaus nicht der Fall ist. Eine richtige, allerdings etwas komplizierte Theorie gab 1836 Airy [2], die folgendermaßen aufgebaut ist.

Das Licht, das von der Sonne auf die Regentropfen fällt, besitzt ebene Wellenflächen, die durch die Brechung und zunächst einmalige Reflexion an den kugeligen Oberflächen der Regentropfen aber verbogen werden und in Scharen transzendenter Flächen übergehen, die von der durch die Sonne, den Tropfen und den Beobachter gehenden Ebene je in einer Kurve geschnitten werden, die einen Wendepunkt besitzt. In einem homogenen isotropen Medium steht die Strahlenrichtung nun senkrecht zur Wellenfläche, die Strahlen, die den Tropfen verlassen, divergieren also im allgemeinen und können im Auge keine Wirkung erzielen. Nur die Strahlen in unmittelbarer Nähe des Wendepunktes, die zugleich die von der ursprünglichen Richtung am wenigsten abgelenkten sind, können, weil sehr nahe parallel, noch zusammenwirken und geben Veranlassung zu der eigenartigen Erscheinung des Regenbogens. Würde man einfarbiges Licht in Richtung der Sonnenstrahlen einfallen lassen, so würde durch die Interferenz der in der Nähe des Wendepunktes gelegenen Strahlen ein System von hellen und dunkeln Streifen am Himmel erscheinen und sich der allgemeinen Himmelsheiligkeit überlagern, deren oberster der betreffenden Farbe des Hauptregenbogens entspricht, dem sich die übrigen in immer geringer werdender Helligkeit und sich verringerndem Abstande anschließen. Allgemein würde der Abstand der Interferenzstreifen um so größer sein, je kleiner die Regentropfen sind, die sie verursachen. Solche Systeme von Interferenzringen um den Gegenpunkt der Sonne bilden sich für jede Farbe, indem die Streifen maximaler Helligkeit wegen der für die verschiedenen Farben verschiedenen Brechbarkeit der Strahlen im Tropfen ein wenig gegeneinander verschoben sind. In ihrer Gesamtheit bilden alle diese Interferenzringe den Hauptregenbogen, indem aber meistens nur die ersten Helligkeitsmaxima der verschiedenen farbigen Systeme so hell sind, daß sie sichtbar werden. Bei starker Entwicklung des Phänomens werden auch noch die folgenden Maxima sichtbar und bilden die sogenannten sekundären oder überzähligen Bögen, die unterhalb des Hauptregenbogens verlaufen und sich teilweise einander überdecken. Die Abstande der sekundären Bögen sind von der Tropfengröße abhängig, weshalb auch die durch ihre Ueberdeckung entstehenden Farben von Fall zu Fall variieren. Bei sehr kleinen Tröpschen, wie sie in Nebeln vorkommen (0,03 mm Tropfenradius und kleiner), überdecken[634] sich auch Hauptbogen und sekundäre Bögen derartig, daß sie zu einem breiten weißen Bande zusammenlaufen, indem die verschiedenen Farben der einzelnen Bögen sich zu Weiß vereinigen (Nebelbogen). Die gleichen Erscheinungen treten bei dem durch zweimalige Reflexion erzeugten Nebenregenbogen auf, dem sich die sekundären Bögen nach oben anschließen, aber wegen der geringen Intensität der zweimaligen Verluste bei der Reflexion halber kaum zu sehen sind. – Der Regenbogen dreimaliger Reflexion würde dicht um die Sonne zu Hegen kommen und wird durch deren Helligkeit überstrahlt; derjenige vierfacher Reflexion ist bereits so schwach, daß er niemals zu sehen ist.


Literatur: [1] R. Descartes, Les météores; Anhang zu den Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité. Neuer Abdruck in Hellmanns Neudrucken Nr. 14. – [2] Airy; Cambridge Phil. Transactions, Vol. VI, p. 379. On the intensity of light in the neighbourhood of a Caustic. Abdruck in Pogg. Annalen, Erg.-Bd. 1842, S. 232; ferner s. J.M. Pernter, Meteorologische Optik, Wien und Leipzig 1910, S. 482 ff.

R. Ambronn.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 634-635.
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