Künstlerhanddruck

[376] Künstlerhanddruck, vom Maler August Roth in Wien erfundenes, ohne Presse ausführbares Vervielfältigungsverfahren, bei dem die in verschiedener Weise herstellbare Zeichnung unmittelbar als Druckform verwendet wird.

Die zur Ausübung des Verfahrens nötigen Materialien: ein mit einer Gelatineschicht versehenes Kartonpapier, eine besondere Kohle und eine eigenartig zubereitete Tinte, deren wichtigste Eigenschaft die ist, daß sie auf Gelatine gerbend wirkt, werden von C. Angerer & Göschl in Wien in den Handel gebracht. Bei Kohlezeichnungen wird die durch Streichen auf Glaspapier gespitzte Kohle, die immer wieder in eine Lösung von Kaliumbichromat einzutauchen ist, benutzt. Sodann wird die Zeichnung dem Tageslichte ausgesetzt. Während im direkten Sonnenlichte wenige Minuten genügen, muß die Belichtung im zerstreuten Lichte bis zur Dauer eines ganzen Tages ausgedehnt werden. Trockene Luft ist günstiger als feuchte; vor Nässe ist der Karton bis zur Herstellung der Zeichnung sorgfältig zu schützen. Senderzeichnungen sind mit der Tinte anzufertigen und bedürfen keiner Belichtung nachher. Der Fond kann in verschiedener Weise mit einer Tonung versehen werden. Kornton erhält man durch Bespritzen mit der besonderen Tinte aus einem Zerstäuber, wobei die Stellen, die frei vom Tone bleiben sollen, entweder mit Firnis (der nachher wieder sorgfältig weggewaschen wird) oder mit Papierschablonen bedeckt werden. Die Größe des Kornes hängt davon ab, in welcher Entfernung vom Papier der Zerstäuber gehalten wird. Die Pinseltonung wird durch Auspinseln verschieden konzentrierter Chromsalzlösungen vorgenommen, worauf belichtet werden muß. Bei der Staubtonung werden nach Belichtung der Zeichnung die Stellen, die keinen Ton erhalten sollen, mit Firnis überdeckt, worauf man das Blatt ins Wasser legt und die Schichte quellen läßt. Sodann trocknet man den Ueberschuß ab und bringt die Zeichnung in einen Staubkasten, in dem mit dem Blasebalg Chromsalzpulver aufgewirbelt wurde, das sich nun auf die Zeichnung niederschlägt, und zwar wird ein gröberes Korn erhalten, wenn das Blatt knapp, ein feineres, wenn die Zeichnung erst einige Zeit nach dem Aufwirbeln des Pulvers in den Staubkasten gelangt. Hernach wird wieder Licht einwirken gelassen und schließlich 6 Stunden ausgewässert. Bei der Belichtung wird die Gelatine an allen bezeichneten oder durch die beschriebenen Tonungsmethoden mit Chromsalz behandelten Stellen gegerbt; sie verliert also überall dort die Quellbarkeit in kaltem Wasser, während diese an allen übrigen Stellen erhalten bleibt. Die druckreise Zeichnung wird daher durch 3 Minuten in einem geräumigen Gefäß (Entwicklerschale) in kaltem Wasser gebadet, dann auf eine Glasplatte gelegt und mittels Leinenlappen oder Seidenpapier vom Wasserüberschüsse befreit. Nun liegt die Zeichnung in der Schicht vertieft, da diese sonst überall gequollen ist. Beim Ueberwalzen mit einer Druckfarbe führenden Masse- oder Lederwalze nehmen nur die gegerbten Schichtstellen die Druckfarbe an. Die abgegriffenen Ränder werden mit dünnem Papier überdeckt. Nun legt man das zu bedruckende Papier auf, drückt es mit der Hand fest an und überstreicht es mit einem Falzbein. Den fertigen Druck zieht man von einer Ecke weg ab. Der Prozeß kann beliebig oft wiederholt werden, wobei nach Bedarf nur mit einem Lappen nachgefeuchtet oder das Baden neuerlich vorgenommen wird. Schließlich wäscht man die Druckfarbe mit Benzin von der Zeichnung ab und bewahrt diese auf. Der Fond darf nicht eintrocknen, weil er sonst natürlich Farbe fängt, man kann aber absichtlich mäßig eintrocknen lassen, um ein »Tonen« zu bewirken. Sehr zähe (»strenge«) Farbe haftet nur an den völlig gegerbten Schichtstellen, »weiche«, d.i. flüssigere Farbe auch an den feuchten Fondstellen. Man kann daher mühelos einen sogenannten Doppeltondruck erzielen, indem man z.B. mit einer strengen schwarzen Druckfarbe und dann mit einer »schwachen« gelblichen »Tonfarbe« einwalzt. Die Zeichnung wird dann tiefschwarz auf gelblich gefärbtem Grunde erhalten. Die Methode, die von jedem einigermaßen geschickten Menschen, der zeichnerisch begabt ist, ausgeübt werden kann, ergibt sehr schöne Abdrücke, die fast den Charakter von Tiefdrucken besitzen. (S. August Roth, Der Künstlerhanddruck, Wien 1918.)

A.W. Unger.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 376.
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