Kronzeuge

[739] Kronzeuge (King's Evidence) wird im englischen Strafverfahren der Mitschuldige eines Verbrechens genannt, der gegen Inaussichtstellung der Begnadigung sich als Zeuge gegen die übrigen Mitschuldigen gebrauchen läßt. Diese Verwendung Mitschuldiger als Zeugen hat sich aus einer andern Einrichtung, dem approvement, einer Art des Geständnisses, entwickelt. Wenn nämlich der Angeklagte die Tat eingestand, um Begnadigung für sich zu erlangen, andre als Mitschuldige bei dem Verbrechen angab, so wurden nun diese in Untersuchung gezogen. Wurden sie schuldig befunden, so ließ man den Angeber (approver) straffrei; mußten sie freigesprochen werden, so wurde er seinem Geständnis gemäß verurteilt. An Stelle dieses Systems ist die Benutzung des Mitschuldigen als Zeugen getreten. Übrigens pflegt der Richter dabei die Geschwornen aufzufordern, daß sie einem solchen Zeugen nur dann Glauben schenken sollen, wenn sein Zeugnis durch andres unverdächtiges Zeugnis im wesentlichen bestätigt wird. Aber ganz aufgeben will man in England die Einrichtung nicht, weil man glaubt, daß sie einer der gefährlichsten Arten der Verbrechen, den in Gesellschaft verübten Diebstählen und Räubereien, ein großes Hindernis in den Weg legt. Die Komplicen (so rechnet man) trauen sich gegenseitig viel weniger, wenn sie wissen, daß jeder die Aussicht hat, durch Verrat seiner Genossen sich straffrei zu machen. Vgl. Stephen, Handbuch des englischen Strafrechts und Strafverfahrens, S. 461 s. (Götting. 1843); Mittermaier, Das englische, schottische und nordamerikanische Strafverfahren, S. 331 ff., unter 8 (Erlang. 1851); Best, Grundzüge des englischen Beweisrechts, S. 165 ff. (Heidelb. 1851); »Encyclopaedia of Laws of England«, Bd. 1 (Lond. 1897), S. 68, unter dem Stichwort Accomplice.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 739.
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