Rosengarten [1]

[150] Rosengarten (Großer R., so genannt im Gegensatz zu dem auch unter dem Namen des Kleinen R. bekannten Gedichts »Laurin«, s. d.), episches Gedicht des deutschen Mittelalters, wohl aus dem Ende des 13. Jahrh., in Österreich entstanden. Der Inhalt ist in kurzem folgender: Kriemhild, des Burgundenkönigs Gibich Tochter, die zu Worms Hof hält, hat dort einen Rosengarten, dessen Hütung dem eben um die Königstochter werbenden Siegfried und elf Burgundenmannen anvertraut ist. Kriemhild ladet die Könige Dietrich von Bern und Etzel von Hunnenland zum Kampf mit den Wächtern des Gartens ein. Würden diese überwunden, soll Gibich sein Land von dem Sieger zu Lehen nehmen, dem außerdem nebst seinen Gefährten ein Rosenkranz und ein Kuß von der schönen Jungfrau als Siegeslohn verheißen wird. Die Geladenen kommen, an ihrer Spitze Dietrich mit zwölf seiner Amelungen, unter ihnen Hildebrand nebst seinem Bruder, dem kampflustigen Mönch Ilsan. Die Burgundenhelden werden überwunden, wiewohl Siegfried und außer ihm besonders Völker aufs tapferste kämpfen. Mit besonderer Vorliebe ist in dem Gedicht der humoristische Mönch Ilsan gezeichnet, der, nach 20jährigem Verweilen im Kloster durch seinen Bruder zur Fahrt nach Worms berufen, der alten Kampflust die Zügel schießen läßt, im Rosengarten tollen Übermut treibt und nach seiner Rückkehr zu den Mönchen diese weidlich plagt und neckt. Das Gedicht zeigt den Volksgesang bereits in verwilderter Haltung; die Sage selbst, im ganzen willkürlich erfunden, bewahrt nur einzelne alte echt epische Elemente. Das Original der Dichtung ist verloren, dagegen besitzen wir eine größere Zahl von Bearbeitungen. Eine noch in einigen Handschriften vorhandene liegt dem im sogen. »Heldenbuch« befindlichen Texte zugrunde; nach einer zweiten hat Kaspar von der Rhön in seiner gleichfalls mit dem Namen »Heldenbuch« bezeichneten Umdichtung alter Sagen (um 1472) seinen »R.« verfaßt; eine dritte ist nach einer nicht ganz vollständigen Handschrift mit trefflicher Einleitung herausgegeben von W. Grimm (»Der Rôsengarte«, Götting. 1836); eine vierte findet sich, nach zwei verschiedenen Handschriften redigiert, inv. d. Hagen und Primissers »Heldenbuch«, Bd. 1 (Berl. 1820); eine fünfte Bearbeitung nach einer Pommersfelder Handschrift ist von Bartsch (in Pfeifers »Germania«, Bd. 4) veröffentlicht; eine sechste ist nur in Bruchstücken erhalten (hrsg. von W. Grimm in den Abhandlungen der Berliner Akademie, 1859) und trägt am meisten noch höfisches Gepräge. Eine kritische Gesamtausgabe der wichtigsten Texte mit Einleitung hat G. Holz veranstaltet (Halle 1893). Vgl. Bruno Philipp, Zum R. (Halle 1879); G. Holz, Zum R. (das. 1889.)

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 150.
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