11. Kapitel.

Das Jungschmieden und die Entstehung der Affen.[153] 1

Der Wunsch, des alternden Menschen, in seine Jugendfrische zurückzukehren, ist allgemein und natürlich. Während die rauhe Wirklichkeit diesen Wunsch, der in Jean Pauls Neujahrsnacht eines Unglücklichen in die Worte gefaßt ist: »Komm wieder, schöne Jugend«, unerbittlich verweigert, wird er im Märchen fast regelmäßig erfüllt.

Verschiedene Mittel zur Verjüngung hat die Phantasie im Märchen erdacht:

I. Den Jungbrunnen.2

Vgl. »Das Wasser der Jugend« von Rudolf Baumbach, wo ein Waldweiblein einem Holzhauer aus einem Brunnen Wasser schöpft, das ihm ewige Jugend verleihen soll; das Wasser des Lebens, das einen alten kranken König heilen soll (Grimm, KHM. 3, 178) und das von Medea gebraucht wird, um den Vater Jasons zu verjüngen; das altindische Mahabharata (Grimm 3, 402), wo der abnehmende Mond in die Flut Saraswati taucht, um neugestärkt in der anderen Hälfte des Monats zuzunehmen. In Dasakumáracharita (Ralston, Russian Folk-Tales2, 356) wird ein König überredet, in einen gewissen See zu springen, um einen neuen und schöneren Körper zu bekommen. Andere Beispiele s. Bolte, Archiv f. slav. Phil. 18, 132 und Zeitschrift des Ver. f. Volkskunde 17, 336.

II. Die Verjüngung durch Pflanzensäfte. Vgl. Grimms Märchen: Der Machandelboom; Wünsche, Die Sagen vom Lebensbaum.

III. Verjüngung in siedender Milch, s. Köhler, Kl. Schr. 1, 468.

IV. Heilung durch Zerstückelung des Körpers.

Vgl. Grimms Märchen Bruder Lustig, ferner Äskulaps Heilung eines Kranken vom Bandwurm durch Abschneiden des Kopfes und Herausnahme des Schmarotzertieres (Gaidoz, Mélusine 5, 97), Christi Heilung einer reichen Kaufmannstochter durch Zerhacken ihres Körpers, Waschen und Zusammensetzung der einzelnen Teile (Gaidoz, ebd.). Dagegen mißlingt die Wiederbelebung Virgils, der seinem Diener befohlen hatte, ihn in Stücke zu hacken, die Teile einzusalzen und neun Tage in einem Fasse aufzuheben (Köhler, Kl. Schr. 1, 140).[154]

V. Verjüngung durch Mahlen in Wundermühlen.

Vgl. das böhmische Sprichwort »auf die Weibermühle bringen, wo man alte Weiber jung macht oder die bösen umgemahlen werden« (Wander, Deutsches Sprichwörterlex. 5, 72). In besonderen Mühlen werden alle Runzeln und Falten abgeschliffen (Bolte, Archiv f. slav. Phil. 18, 132). In einer von Wünsche S. 86 erwähnten niedersächsischen Sage wird ein unartiges Mädchen in einer Mühle jung gemahlen und zu einem gut gearteten Kinde umgewandelt.

VI. Verjüngung durch die läuternde Kraft des Feuers.

Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 153-155.
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