Einzige Familie: Lippfische (Labridae)

[165] Den Kern der Ordnung, auf welchen ich mich beschränke, bilden die Lippfische (Labridae), durch Gestalt, Beschuppung und Farbenpracht in hohem Grade ausgezeichnete Thiere. Ihre Gestalt unterscheidet sich wenig von der unserer Flußfische; das Kleid besteht aus runden Schuppen; die eine Rückenflosse wird hauptsächlich von Stachelstrahlen gespannt, welche jedoch meist ein Hautläppchen hinter sich haben; die Bauchflossen stehen unter den Brustflossen; die Kinnladen haben fleischige Lippen; das Gebiß besteht aus stumpfen Pflasterzähnen oder Querplatten; der Gaumen ist zahnlos. Eine einfache Schwimmblase ist vorhanden. Der Magen hat keinen Blindsack; auch fehlen die Blinddärme.

In fast vierhundert Arten über alle Meere verbreitet, bevölkert diese Familie auch unsere Küsten, insbesondere die des Mittelmeeres und der Nordsee, da wo der Grund felsig und mit Seepflanzen bewachsen ist. Ihre eigentliche Entwickelung zeigt sie jedoch innerhalb des heißen und in den angrenzenden Theilen der beiden gemäßigten Gürtel; denn schon unter unseren Breiten kommen verhältnismäßig wenige Lippfische vor, und jenseit der Polarkreise sind sie noch nirgends beobachtet [165] worden. Wie durch ihre Farbenpracht zeichnen sie sich auch durch ihre Munterkeit und Regsamkeit aus, obgleich sie wenig umherzuschweifen, vielmehr in den unterseeischen Wäldern ihren Stand zu nehmen und von einer Seewasserpflanze zur anderen zu schwimmen pflegen. Ihrem Gebisse entsprechend fressen die meisten Arten vorzugsweise Muscheln, welche sie mit den beweglichen Lippen vom Grunde oder von den Pflanzen des Meeres ablesen, und deren Schalen sie mühelos zertrümmern; doch gibt es auch Pflanzenfresser unter ihnen, welche förmlich weiden, ohne übrigens deshalb thierische Stoffe zu verschmähen. Gegen die Laichzeit hin, welche gewöhnlich mit dem Frühlinge ihrer Heimat zusammenfällt, erhöht sich nicht allein ihre Farbenschönheit, sondern auch ihre Fähigkeit, die Färbung jählings zu verändern, in bemerkenswerthem Maße. Ihr Fleisch wird gering geschätzt, weil es ungemein weichlich ist, gleichwohl aber hier und da von der ärmeren Bevölkerung in Menge genossen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 165-166.
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