Finte (Alausa Finta)

[315] Bedeutend kleiner, nämlich höchstens fünfundvierzig Centimeter lang und ein Kilogramm schwer, ist die verwandte Finte (Alausa Finta, Alosa Finta, Clupea Finta und fallax; Abbildung auf Seite 308), welche sich vom Maifische vorzugsweise durch die wenigen, einzelnstehenden, kurzen und dicken Fortsätze auf der ausgehöhlten Seite der Kiemenbogen unterscheidet, ihr in der Färbung jedoch fast vollständig gleichkommt.

In der Lebensweise ähneln sich beide Alsen. Sie bewohnen alle Meere, welche die europäischen Küsten bespülen, halten sich hier in ziemlicher Tiefe auf, treten, je nachdem sich die Flüsse mehr oder weniger geklärt, früher oder später in diese ein und wandern in ihnen empor, um zu laichen. Auf diesen Wanderungen besuchen sie fast das ganze Gebiet eines Stromes, weil sie auch in den kleineren Flüssen so weit zu Berge gehen, wie sie können. Ihren Namen Maifische haben sie von dem regelmäßigen Erscheinen erhalten. Die Fischer kennen sie sehr gut, weil sie sich geräuschvoller bewegen als andere Fische, nahe der Oberfläche des Wassers fortwandern und zuweilen einen Lärm verursachen, »als befände sich eine Herde Schweine im Wasser«. Die Finte pflegt ihre Reise gewöhnlich vier Wochen später als der Maifisch anzutreten, benimmt sich aber auf der Reise ebenso wie dieser. Während des Lärmens, welches dem Schweinegrunzen nicht unähnlich ist, aber von dem Schlagen mit dem Schwanze hervorgebracht wird, geben die fortpflanzungslustigen Fische in der Nähe der Oberfläche ihren Laich von sich und kehren, nachdem dies geschehen, langsam ins Meer zurück, die meisten in einem auffallend hohen Grade entkräftet und abgemagert, so daß man ihr Fleisch, welches ohnehin so wenig geschätzt wird, daß das Kilogramm nur zehn bis vierzig, höchstens siebzig Pfennige werthet, kaum noch genießen kann. Nicht wenige von ihnen erliegen der Anstrengung, und ihre Leichname treiben zuweilen massenhaft den Strom hinab. Junge von etwa fünf Centimeter Länge beobachtet man im Oktober, solche von zehn bis funfzehn Centimeter Länge noch im nächsten Frühlinge in den Flüssen, von denen aus nunmehr auch sie sich ins Meer begeben. Ihre Nahrung besteht aus kleinen Fischen und weichschaligen Krebsthieren.

Den Alten waren die Alsen wohl bekannt. »Diese Fisch« sagt Geßner, »sind die ersten auß der zahl deren so von dem Meer in die süssen Wasser herauff streichen: dann im Meer, von wegen [315] deß gesaltzenen Wassers, sind sie mager, gar nit lieblich zu essen. In den süssen Wassern bessern sie sich mächtig, werden feißt, vnd gantz gut zu der Speiß. Sobald dieser Fisch auß dem Wasser gezogen, sol er sterben nach Art der Hering. Eine sonderbare anmuthung sollen sie ob dem Gethön, geläut der Glocken oder schellen haben, welches den Fischern wol bewußt, so sie diese Alsen mit dem Garn zu fahen begeren, so lassen sie vor dem Garn her ein krumb hochgebogen Holtz schweben, an welches Schellen gehäfftet. So sie dann das Geläut der Schellen erhören, schwimmen sie herzu, vnd dem Gethön so lang nach, biß solcher Fischen gantze hauffen zu grund gezogen werden. Es ist auch gentzlich die wahrheit, daß diese Fisch ob dem Donner sehr erstarren, welches jnen vrsach gibt, daß sie allein Frühlingszeit in die flüß der süssen Wasser herauff tringen. Sobald aber der Sommer einfellt, so schwimmen sie wiederumb dem tiefen Meer zu. In Meyen behalten die Fisch den preiß, ist ein sehr löblicher, köstlicher Fisch, allein daß er mit so viel Grädten den essenden verhaßt. Sollen auß eigner art durstige und schläfferige Leut machen. Die besten werden in den Flüssen der süssen wasser gefangen, dann die so auß dem Meer kommen, helt man in kleiner achtung.«

Vida, ein geistlicher Dichter, hebt die außerordentliche Klugheit der Alsen hervor, welche darin sich kundgibt, daß sie gerade zu der Zeit, wenn das Fleischessen verboten ist, nämlich zur Fasten, ankommen und dann sehr fett zu sein pflegen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 315-316.
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