Puppenräuber (Calosoma sycophanta)

[36] Der Puppenräuber, Bandit, Mordkäfer (Calosoma sycophanta, Fig. 2, S. 35) steht in sehr nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zu den eben besprochenen Caraben, und seine mehrfachen deutschen Benennungen deuten auf eine gewisse Popularität, deren er sich zu erfreuen hat. Die Gattung »Schönleib«, wie man Calosoma übersetzen müßte, unterscheidet sich von Carabus durch das auffällig verkürzte zweite Fühlerglied, durch das querstehende, seitlich stark gerundete Halsschild, die breiten, nahezu quadratischen Flügeldecken und durch meist vollkommen ausgebildete Flügel. Der Puppenräuber und die übrigen über die ganze Erde ausgebreiteten Gattungsgenossen (beiläufig neunundsiebzig an Zahl) halten sich allerdings auch an der Erde auf, vorherrschend jedoch an Baumstämmen. Hier steigen sie auf und ab und spähen nach Raupen und Puppen von Schmetterlingen und nach den Larven anderer freilebender Kerfe, welche sie mit großer Gier verzehren, weshalb die Bezeichnung »Kletterlaufkäfer« für die Gattung vollkommen gerechtfertigt erscheinen dürfte.

Unsere Art ist stahlblau, an den regelmäßig gestreiften, mit zusammen sechs Punktreihen versehenen Flügeldecken grünlich oder röthlich goldglänzend, während die Mundtheile, die Fühler mit Ausnahme ihrer bleicheren Spitze und die kräftigen Beine rabenschwarz glänzen. An letzteren erweitern sich beim Männchen zwar vier Vorderfußglieder, aber nur ihrer drei bekleiden sich mit Filzsohle. Man findet den Käfer vorherrschend in Kiefernwaldungen und besonders zahlreich in Raupenjahren; er ist also dazu berufen, das gestörte Gleichgewicht wieder herstellen zu helfen. Man hat in einem solchen Falle beobachtet, wie ein und derselbe Käfer wohl zehn- bis funfzehnmal einen Baum bestieg, sich mit einer Raupe der Forleule hinabstürzte, diese würgte und dann sein Werk von neuem begann. In offenem Kampfe, ohne Hinterlist und ohne Furcht geht der Puppenräuber auf seine Beute los. Die große, etwas behaarte Kiefernraupe schlägt, wenn sie angegriffen wird, mit dem freien Körpertheile heftig um sich; er aber läßt nicht los und stürzt mit ihr vom Baume. Auf der Erde angelangt, wird die Balgerei fortgesetzt, er unsanft umhergeschleudert, aber alles umsonst für das auserwählte Schlachtopfer; geschwächt und ermüdet, muß sich die Raupe zuletzt in ihr Schicksal ergeben. Der mühsam errungenen Beute froh, setzt sich der Sieger vor ihr zurecht, die vorderen Klauen in sie, die hinteren in den Erdboden einschlagend, und verarbeitet [36] mittels der kräftigen Kinnbacken und der übrigen Mundtheile das Fleisch zu einem Brei, den er verschluckt. Sollte ihm bei seinem Mahle ein Ruhestörer zu nahe kommen, so strampelt er mit seinen Hinterbeinen abwehrend oder beißt auch um sich, bis er den Zudringlichen verjagt hat. Dergleichen Beobachtungen lassen sich, wie bereits erwähnt, nur anstellen, wenn die genannten Raupen oder die der Nonne und des Processionsspinners für den Forst verderblich auftreten; sind dieselben verschwunden, so kommt der Puppenräuber so vereinzelt vor, daß Jahre hingehen können, ehe man auch nur einen im Freien zu Gesicht bekommt. Seine Entwickelung aus der Puppe erfolgt im Spätsommer oder Herbste, die Paarung nach der Ueberwinterung.

Die Larve unterscheidet sich in ihrem Baue in nichts von den bekannten Carabus-Larven, weil man sie aber in der Regel wohlgenährt antrifft, so stellt sie sich weniger walzenförmig als von der dicken Mitte nach beiden Enden hin verschmälert dar; auch scheinen die Chitinschilder den Rücken nicht vollständig zu decken, denn sie lassen die angespannten, lichten Verbindungshäute zwischen sich erkennen, wogegen bei einer mageren Larve jene sich vollkommen aneinander schließen. Die Dornen am letzten Leibesgliede sind hakig nach oben umgebogen und an ihrer Wurzel mit einem Zahne bewehrt. Gleich dem Käfer klettert auch die Larve gewandt und in gleicher Absicht, saugt aber ihre Beute aus. In den Nestern der Processionsraupen richtet sie manchmal arge Verwüstungen an, und sind ihrer mehrere in einem solchen vorhanden, so ist diejenige, welche am lüsternsten war und sich fast bis zur Unbeweglichkeit voll fraß, nicht sicher, die Beute einer ihrer noch beweglicheren Schwestern zu werden. Wenn sie zur Verpuppung reif ist, gräbt sie sich flach unter der Erde ein Lager, in welchem sie nur wenige Wochen Puppenruhe hält.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 36-37.
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