Getreidelaufkäfer (Zabrus gibbus)

[40] Diese eine Art ist der Getreidelaufkäfer (Zabrus gibbus), der durch sein massenhaftes Auftreten in einzelnen Gegenden eine gewisse Berühmtheit, aber keineswegs im guten Sinne, erhalten hat. Es war im Jahre 1812, als im Mansfelder Seekreise der Provinz Sachsen die Larve an den Wintersaaten und später an der jungen Gerste bedeutenden Schaden anrichtete, und zwar so unerwartet, so vereinzelt und so vollständig der Natur der übrigen Laufkäfer widersprechend, daß die Gelehrten die von Germar bekannt gegebene Thatsache, als auf irgend welchem Irrthume beruhend, in Zweifel zu ziehen begannen. Seit den dreißiger Jahren hat sich das unliebsame Erscheinen des Getreidelaufkäfers öfter wiederholt in den verschiedensten Theilen der Provinz Sachsen, am Rhein, in der heutigen Provinz Hannover, in Böhmen und anderwärts.


Getreidelaufkäfer (Zabrus gibbus), natürl. Größe.
Getreidelaufkäfer (Zabrus gibbus), natürl. Größe.

Je öfter und je allseitiger die Aufmerksamkeit auf diesen Getreidefeind gelenkt worden ist, desto bestimmter hat man sich von der Schädlichkeit nicht nur der Larven, sondern auch des Käfers selbst überzeugt, wenn beide in größeren Mengen auftreten. Letzterer ist seiner Gestalt und Größe nach aus unserer Abbildung, seinen übrigen Merkmalen nach aus den bereits angegebenen Gattungscharakteren gekennzeichnet; ergänzend sei nur noch hinzugefügt, daß er oben schwarz oder schwarzbraun, an der platten Unterseite und an den Beinen heller, pechbraun gefärbt, das Halsschild am Grunde leicht niedergedrückt, dicht und fein punktirt und an den Hinterecken rechtwinkelig, das Schildchen spitz dreieckig ist, daß die Flügeldecken an den Schultern geeckt und mit einem Zähnchen versehen, tief gestreift und in den Streifen punktirt, und daß bei ihm die Flügel vollkommen entwickelt sind, was nicht von allen Arten gilt. Der Getreidelaufkäfer bewohnt zu der Zeit, in welcher die Roggen-, Weizen- und Gerstenkörner noch im Milchsafte stehen, die betreffenden Felder oder deren Nachbarschaft und war in der Sommerzeit seiner Puppe entschlüpft. Wie die meisten seiner Verwandten kommt er am Tage wenig zum Vorscheine, sondern ruht unter Steinen, unter Erdschollen und in ähnlichen Verstecken. Sobald die Sonne am abendlichen Himmel ver schwunden ist (von 81/2 Uhr an), verläßt er seinen Hinterhalt, klettert an einem Halme der genannten Getreidearten bis zu der Aehre in die Höhe, und findet er die Körner noch weich, so setzt er sich fest, schiebt mit den Vorderbeinen die Spelzen bei Seite und benagt von oben her das Korn. Bei dieser Beschäftigung entwickelt er einen so großen Eifer, daß weder ein Luftzug, noch sonst eine unerwartete Erschütterung ihn von seinem [40] Weideplatze herabzuwerfen vermag. Man findet meist die Aehren von unten nach oben befressen und zerzaust, in dieser mehr, in einer anderen weniger Körner benagt. Breiter berichtet (1869) über ein Roggenfeld in der Grafschaft Bentheim, das zur Fraßzeit von abends 81/2 bis morgens 7 Uhr von oben her schwarz ausgesehen habe, indem auch nicht eine Aehre frei von diesem Fresser gewesen sei. An dergleichen Orten finden sich nun auch die Geschlechter zusammen und paaren sich. Das befruchtete Weibchen legt alsbald seine Eier haufenweise, ohne Zweifel flach unter die Erde an Gräser, welche auf den Aeckern und auf den Feldrainen wachsen. Denn daß gemeine Gräser diesem Kerf zur Nahrung dienen, dürfte aus den Beobachtungen hervorgehen, welche man in Mähren, Böhmen und Ungarn gemacht hat, wo immer solche Felder am meisten zu leiden hatten, welche früher Wiese oder Weide gewesen waren, oder solche, die an Wiesen angrenzten.

Die Larve läßt nicht lange auf sich warten, ernährt sich von den zarten Keimen und Herzblättchen der Gräser und ist zu wiederholten Malen bereits im Herbste, mehr noch nach der Ueberwinterung im Frühjahre als Zerstörerin der Wintersaaten angetroffen worden. Sie kann nicht leicht mit einer anderen Larve verwechselt werden, welche sich unter ähnlichen Verhältnissen auf den Aeckern findet, und trägt vollständig, wie unsere Abbildung auch zeigt, den Charakter aller Laufkäferlarven an sich. Der von oben etwas gehöhlte Kopf ist länger als breit und wenig schmäler als der Halsring, trägt in eine scharfe Spitze auslaufende, in der Mitte mit stumpfem Zahne bewehrte Kinnbacken, hinter deren Wurzel viergliederige Fühler und sechs Augen in zwei senkrechten Reihen jederseits; die Kiefertaster sind viergliederig, die der Unterlippe zweigliederig. Den Rücken sämmtlicher Körperringe decken Hornplatten, deren vorderste größer und braun, die weiter folgenden kleiner und mehr roth sind, alle aber von einer lichten Längsfurche durchzogen werden. Außer diesen Hauptschilden haben die fußlosen Hinterleibsringe noch eine Menge kleinerer Hornfleckchen, welche am Bauche zierliche Zeichnungen hervorbringen. Das stumpf zugespitzte Leibesende läuft in zwei zweigliederige kurze Fleischspitzchen aus, an denen, wie am ganzen Körper, besonders aber am Kopfe, kurze Borstenhärchen zerstreut wahrgenommen werden. Erwachsen mißt die Larve durchschnittlich 28 Millimeter. Bei Tage hält sie sich 150 Millimeter und tiefer in einer selbstgegrabenen Erdröhre auf und kommt nur abends und nachts zum Fraße hervor. Die Fraßweise und die sonstigen Gewohnheiten der Larve bieten allerlei Eigenthümlichkeiten dar. Was bereits von anderen Laufkäferlarven bemerkt worden ist, gilt auch von dieser: sie zerkleinert die Blättchen der Wintersaaten nicht, um sie zu verschlucken, sondern zerkaut dieselben, um den Saft aus dem hierdurch erhaltenen Breie zu saugen; darum verwandelt sie die im Herbste noch zarten Pflänzchen vollkommen, im Frühjahre nach der Bestockung derselben wenigstens einzelne Triebe in Knäuel, welche vertrocknen und als dürre Pfröpfchen den Boden bedecken. Der Regenwurm bringt sehr ähnliche Erscheinungen hervor. Auf diese Weise verschwinden vor Winters die Saaten vollständig, nach der Ueberwinterung theilweise und zwar von den Feldrändern her oder im Innern platzweise. Diese Verbreitungsweise der Beschädigungen weist auf die Geselligkeit der Larven, also auch auf das klumpenweise Ablegen der Eier hin und läßt bei gehöriger Aufmerksamkeit den Herd erkennen, von welchem aus eine Weiterverbreitung erfolgt ist. Wenn schon ein Anblick der Art, wie er eben geschildert wurde, auf die Gegenwart des Zerstörers schließen läßt, so gehört immer noch ein Kunstgriff und eine gewisse Uebung dazu, seiner selbst habhaft zu werden. Er sitzt, wie bereits erwähnt, bei Tage in seiner Röhre, welche mit seinem Wachsthume tiefer gearbeitet wird und, wenn auch etwas gekrümmt, doch in der Hauptrichtung senkrecht in die Erde führt. So wie die Larve das Herannahen einer Gefahr, wie eine durch kräftige Tritte hervorgerufene Erschütterung der Erde, verspürt, ahmt sie dem Maulwurfe nach: sie läßt sich bis auf den Boden ihrer Wohnung hinabfallen. Wollte man sie jetzt ausgraben, so könnte man manchen Spatenstich thun und möglicherweise alle umsonst, da sie, an die Oberfläche gelangt, aber von loser Erde bedeckt, schnell und unbemerkt das Weite suchen würde. Um sich ihrer zu vergewissern, hat man vorsichtig gegen Abend den Eingang [41] in die Röhre und deren Richtung zu ermitteln – die trockenen Pfröpfchen, welche jenem nicht selten aufsitzen, weisen darauf hin –, mit einem rasch die Röhre schneidenden, schräg geführten Spatenstiche die Erde auszuwerfen und wird dann meist in dem ausgeworfenen oberen Röhrentheile die hier sich aufhaltende Larve bloßgelegt, sie jedenfalls verhindert haben, in die Tiefe hinabzugleiten. Es ist noch nicht gelungen, durch künstliche Zucht die Lebensdauer der Larve zu ermitteln. Die gefangenen Larven fressen sich gegenseitig an und auf, sobald das gebotene Getreide nicht die hinreichende Nahrung liefert. Der Umstand, daß die gleichzeitig lebenden Larven verschiedene Größe haben, und daß andere unter ähnlichen Verhältnissen vorkommende Käferlarven zu ihrer Entwickelung mehrere Jahre bedürfen, veranlaßte mich früher, auch von dieser Art eine mehrjährige Brut anzunehmen; ich bin aber neuerdings nach verschiedenseitigen Beobachtungen zu einer anderen Ansicht gelangt. Die Nachkommen der ungefähr Mitte Juni geborenen Käfer überwintern in verschiedener Größe, kommen nach der Ueberwinterung um die Mitte des Mai zu der Verpuppung und werden spätestens vier Wochen nachher zu Käfern, so daß mithin nur von einjähriger Brut die Rede sein kann. Es mögen auch hier, wie dies schon von anderen Laufkäfern bemerkt wurde, nicht immer die Zeiten pünktlich innegehalten werden; denn sonst ließe sich nicht erklären, wo im ersten Frühjahre die Käfer herkommen, die ich sehr vereinzelt angetroffen habe. Es braucht wohl nicht erst erwähnt zu werden, sondern erscheint selbstverständlich, daß die Verpuppung im Grunde der etwas erweiterten Röhre erfolgt.

Wo nach den Berichten ganze Roggenfelder durch die fressenden Käfer ein schwarzes Ansehen bekommen oder die Larven so dicht beisammen fressen, daß man mit jedem Spatenstiche funfzehn bis dreißig Stück derselben zu Tage fördert, wie 1869 im Kreise Minden, da liegt es sicher im Interesse der Feldbesitzer, diesen Zerstörern möglichste Schranken zu setzen und sich ihrer zu erwehren. Soll man in der oben angegebenen Weise die Larven ausgraben und wegfangen? Das dürfte der Maulwurf gründlicher besorgen, der aber überall da gefehlt zu haben scheint, wo die Larven des Getreidelaufkäfers in wirklich bedenklichen Mengen aufgetreten sind. Dagegen muß der Käfer von den Aehren abgelesen und getödtet werden, und zwar möglichst zeitig und allseitig, damit überhaupt keine Brut möglich wird. Weiter gibt Jul. Kühn den Rath, auf denjenigen Getreidefeldern, wo der Käfer beobachtet wurde, und wo die Eierablage vermuthet werden darf, sogleich nach der Ernte zu exstirpiren und zu eggen, damit die ausgefallenen Körner rasch aufgehen. So wie dies geschehen, pflüge man das Land ohne Zögern bis zu der vollen Tiefe. Auf diese Weise entzieht man der jungen Brut ihre Nahrung, zumal wenn man auch die angrenzenden Stoppelfelder schnell umbricht und die Wintersaaten in der Nachbarschaft so spät bestellt, als es die Oertlichkeit gestattet. Ferner muß man an den Stellen, wo besagter Getreidefeind vorhanden war, bei der Fruchtfolge die größte Vorsicht anwenden, darf namentlich nach Halmgetreide weder Winterroggen oder Winterweizen, noch nach diesen beiden Gerste bestellen. Durch die angeführten Vorsichtsmaßregeln beugt man den künftigen Beschädigungen seitens des Getreidelaufkäfers und dessen Larve vor; ist letztere bereits vorhanden, so muß sie vernichtet und ihr weiteres Vordringen unmöglich gemacht werden. Diesen beiden Forderungen genügt man am sichersten, wenn man die angegriffene Fläche mit einem möglichst senkrechten Graben umgibt, welcher vor die Fraßlinie in den unversehrten Theil gelegt wird, um sicher zu sein, daß die Grabenlinie noch nicht von einem Theile der Larven überschritten wurde. Diese Gräben erhalten am zweckmäßigsten eine Tiefe von 48 bis 62 Centimeter bei einer Breite von 31,4 bis 39,2 Centimeter und werden in der Sohle bis 7,5 Centimeter Höhe mit frischgelöschtem Kalke bestreut oder mit Kalkmilch so weit ausgefüllt. Wenn der Fraß vom Rande her stattfindet, so pflügt man den angegriffenen Theil ungefähr 15,7 Centimeter tief um und läßt hinter dem Pfluge die Larven auflesen. Hierbei ist zu beachten, daß das Auflesen in einiger Entfernung vom Pfluge geschehen muß, weil die in den umgerissenen Schollen befindlichen und gestörten Larven sich hervorzuarbeiten suchen und größtentheils in die offene Furche gelangen, wo sie sich bald wieder verkriechen. Es ist dieses Mittel, mit der eben bezeichneten Vorsicht angewandt, auch gegen andere [42] schädliche Larven nicht dringend genug zu empfehlen. Der für den Getreideertrag verloren gegangene Streifen kann mit Hackfrüchten bestellt und hierdurch noch nutzbar gemacht werden.

Nachdem das Betragen der Laufkäfer im allgemeinen geschildert, der wesentlichsten Abweichungen davon bei einzelnen Sippen gedacht und die Grundform ihres Körperbaues durch mehrere Abbildungen versinnlicht worden ist, so würde ein weiteres Eingehen auf diese Familie nur ermüden. Wer zahlreiche Arten aus der nächsten Verwandtschaft des Getreidelaufkäfers, der von allen jedoch der am stärksten gewölbte ist, bei einander zu sehen wünscht, dem können wir nur rathen, sie in der Zeit vom Oktober bis zum Beginn des nächsten Frühjahres in ihrem Winterlager aufzusuchen. Hierzu sind keine besonderen Kunstgriffe und keine praktischen Erfahrungen nöthig, sondern es reicht aus, einen und den anderen größeren Stein auf einem beliebigen Feldwege zu lüften und die von ihm bedeckt gewesene Bodenfläche anzuschauen. Da zeigt sich ein Bild, verschieden je nach der Oertlichkeit und nach der Jahreszeit, immer jedoch geeignet, einen Blick in das geheime Getriebe der Kerfwelt zu thun, im Winter starr und regungslos, je näher dem Frühlinge voller Leben und Angst verrathender Beweglichkeit. Unter dem mancherlei Geziefer haben aber die Läufer sicherlich das Uebergewicht.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 40-43.
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