6. Sippe: Riesenkäfer, Dynastinen

[90] Die Riesenkäfer (Dynastidae) unterscheiden sich durch die gleichen Klauen von der vorigen Sippe, durchquere, eingesenkte Vorderhüften von der folgenden, den Blumenliebenden. Das Kopfschild verwächst bei ihnen mit dem Gesichte und läßt den Außenrand der Kinnbacken unbedeckt. Diese sind hornig, innen gezähnt und meist auf kurze Strecken mit Haarwimpern besetzt. Der äußere Lappen der Unterkiefer verwächst mit dem inneren und die hornige Zunge mit dem Kinne. Die fast immer zehngliederigen Fühler enden in einen drei blätterigen, bei beiden Geschlechtern gleichen Endknopf. Der Anhang des Seitenstückes (Hüftblatt) der Hinterbrust ist immer deutlich, mäßig groß und dreieckig; die drei letzten Luftlöcher des Hinterleibes rücken nach außen. Diesen sammt den beiden letzten Mittelleibsringen umschließen von den Seiten her die in der Regel glatten, braun oder schwarz gefärbten Flügeldecken. Wie es der Name andeuten soll, finden sich hier die größten und massigsten nicht nur aller Blätterhörner, sondern die Riesen der Käfer überhaupt. Gleichzeitig treten hier die schroffsten Gegensätze zwischen beiden Geschlechtern ein und derselben Art in der oben angedeuteten Weise hervor. Die Männchen sind meist am Vorderrücken allein oder an ihm und dem Kopfe mit Hörnern und Spießen der abenteuerlichsten Formen verziert, mit Auswüchsen, von deren Zwecke sich in den wenigsten Fällen Rechenschaft geben läßt, die eben nur einen Schmuck der Männchen darstellen, welcher den Weibchen unnütz, ja sogar bei dem Brutgeschäfte im höchsten Grade störend sein würde. Daher haben diese bisweilen ein rauhes, [90] gekörneltes Halsschild, welches von vorn nach hinten an Breite zunimmt und ihnen behufs des Eierlegens das Eindringen in Holzerde, Mulm oder angefaulte Baumstämme in keinerlei Weise erschwert. Die meisten halten sich am Tage verborgen in faulem Holze, in Baumlöchern, unter dürrem Laube und an ähnlichen Verstecken, werden des Nachts lebendiger und gebrauchen nach langen Vorbereitungen und anhaltendem Pumpen ihre Flügel zu schwerfälligem, weithin hörbarem Fluge, während dessen sie die Flügeldecken nur mäßig aufheben und nicht ausbreiten.

Die paar Larven, welche man zur Zeit kennt, leben in faulendem Holze und gleichen sehr denen der Laubkäfer durch die Querfalten und durch die sackartige Erweiterung des Leibesendes; im Verhältnis zum gedrungenen, feisten Leibe erscheint der Kopf schmal. Zähne an der Spitze und Querriefen an der Außenseite charakterisiren die Kinnbacken, und mehr oder weniger dichte Sammethaare bekleiden außer einzelnen Borsten den ganzen Körper. Vor der Verwandlung, welcher ein mehrjähriges Leben vorausgegangen ist, fertigen die Larven ein festes Gehäuse aus einer dicken Schicht ihrer Umgebung, in welchem der Käfer so lange verweilt, bis er, vollkommen erhärtet, dasselbe ohne Verdrückungen und Quetschungen an seiner Oberfläche zu durchdringen im Stande ist; und doch scheinen die krüppelhaften Hörner und allerlei andere Verunstaltungen, welche man nicht selten bei einzelnen zu sehen bekommt, darauf hinzudeuten, daß diese zu vorwitzig waren und die Zeit ihrer vollkommenen Erhärtung nicht abwarten konnten.

Die nahezu fünfhundert Arten, welche die Sippe der Riesenkäfer zusammensetzen, beschränken sich beinahe ausschließlich auf den heißen Erdgürtel und mit der weitaus größten Hälfte auf Amerika, vereinzelte, weniger riesige Arten kommen zerstreut in allen Erdtheilen vor.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 90-91.
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