Parallēl

[667] Parallēl (v. gr.), heißen zwei in einer Ebene liegende Gerade, wenn sie sich nicht schneiden, soweit man sie auch beiderseits verlängern mag. Wenn zwei gerade Linien eine dritte Gerade so schneiden, daß sie mit ihr nach derselben Seite hin gleiche Winkel (man nennt sie Gegenwinkel u. correspondirende [667] Winkel) bilden, so läßt sich durch Congruenz der beiden durch die dritte Gerade geschiedenen Hälften u. durch den Grundsatz, daß sich zwei Gerade nicht in mehr als einem Punkte schneiden können, beweisen, daß die ersten beiden Geraden etc. sind. Nennt man zwei innere Winkel, welche auf verschiedenen Seiten der schneidenden Linie liegen, ohne Nebenwinkel zu sein, Wechselwinkel, so kann man auch sagen: zwei Linien sind parallel, wenn sie mit einer dritten gleiche Wechselwinkel bilden. Endlich sind zwei Linien parallel, wenn sie von einer dritten so geschnitten werden, daß die Summe je zweier innerer od. zweier äußerer an derselben Seite der Schneidenden liegender Winkel so groß als zwei rechte ist. Daß zwei od. mehre Linien einander parallel sind, bezeichnet man durch dieses Zeichen ||. Nimmt man nun als Grundsatz an, daß durch einen Punkt zu einer Geraden nur eine P-e möglich sei (Grundsatz der Parallelenlehre), so gelten auch umgekehrt die drei Sätze: wenn zwei P-e von einer dritten Geraden geschnitten werden, so sind erstens die correspondirenden Winkel einander gleich, zweitens ebenso die Wechselwinkel, drittens die Summe je zweier innerer od. äußerer an derselben Seite der Schneidenden liegender Winkel gleich zwei rechten. Eine genaue Folge hiervon ist dann weiter, daß jeder Außenwinkel am Dreieck gleich der Summe der beiden inneren gegenüberliegenden Winkel, ist u. dann der wichtige Satz, daß die Summe der drei Winkel jedes Dreiecks gleich zwei rechten ist. Viele Mathematiker haben sich bemüht, obigen Grundsatz als solchen entbehrlich zu machen u. entweder ihn selbst als Lehrsatz zu beweisen od. den Satz von der Winkelsumme im Dreieck unabhängig von der Parallelenlehre zu beweisen, woraus dann wieder jener Grundsatz folgen würde, u. dies ist es, was man unter dem Problem der Parallelentheorie versteht. Doch ist es noch Niemand vollständig gelungen, am nächsten ist aber dem Ziele gekommen Legendre.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 667-668.
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