Vollblütigkeit

[670] Vollblütigkeit (Plethora, Polyaemia, Blutfülle), der Zustand, bei welchem die Blutmenge des Körpers zu groß scheint u. schon bei geringem Anlaß krankhafte Störungen auftreten Man unterscheidet a) allgemeine wahre V. (P. vera), bei wirklicher Überfülle von Blut; b) örtliche od. congestive V. (P. topica), bedingt durch Stauung des Blutes in einzelnen Theilen des Gefäßsystems; c) vorübergehende V. (Orgasmus), vorzugsweise bei Erhitzung. Die Ursachen können sehr verschieden sein. Man unterscheidet eine angeborene V. (plethorische Disposition), indem die blutbereitenden Organe zu energisch fungiren u. aus der Nahrung mehr Blut bereiten als bei anderen Individuen; ferner eine erworbene V., wie bei Vielessern, Stubenhockern u. Langschläfern, od. wenn kränkliche u. krankhafte Blutentleerungen, wie Gewohnheitsaderlässe, Menstrual- od. Hämorrhoidalblutflüsse, auch Diarrhöen, Eiterungen, Fußschweiße etc. plötzlich od. wenigstens binnen einer zur Entwöhnung des Organismus nicht hinreichenden Zeit aussetzen. Krankheitssymptome treten erst dann ein, wenn ein größerer Abschnitt des Gefäßsystems in unregelmäßige Thätigkeit geräth od. wenn ein wirklicher Krankheitszustand dazu kommt; es entstehen alsdann Congestionen nach Kopf- u. Brustorganen, welche zu Blutflüssen u. Apoplexien führen können. Die V. localisirt sich gern im Unterleib (Unterleibsplethora, P. abdominalis). Die angeborene V. kann durch zweckmäßige Nahrung u. Abhärtung des Körpers etwas gehemmt werden. Macht die V. Störungen irgend wie bedenklicher Art, so muß die Blutmasse vermindert werden durch Aderlaß, örtliche Blutentziehungen od. durch Fasten, Wassertrinken, Laxiren.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 670.
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