Personenbrücke

[481] Personenbrücke oder Personensteg, Bahnsteigbrücke, Übergangsbrücke (footbridge; passerelle; passerella), dient ebenso wie der Personentunnel (s.d.) in Verbindung mit Treppen oder Rampen dazu, daß die Reisenden auf ihrem Wege vom Bahnhofszugang zu den Bahnsteigen und von den Bahnsteigen zum Bahnhofsausgang sowie beim Umsteigen auf dem Wege von Bahnsteig zu Bahnsteig keine Gleise in Schienenhöhe überschreiten. Stellenweise dienen solche von der Eisenbahn angelegte Brücken auch mit oder ausschließlich dem Verkehr von Bahnbediensteten oder dem mit den Bahnzwecken nicht unmittelbar zusammenhängenden öffentlichen Verkehr.

P. haben den Personentunneln gegenüber den Nachteil, daß sie die Übersicht über die Bahnanlagen und insbesondere die Sichtbarkeit der Signale beschränken; auch ist die Steighöhe zwischen Brückenfußboden und Bahnsteig in der Regel größer, als bei Personentunneln. P. kommen daher namentlich da zur Anwendung, wo die Gleis- und Bahnsteiganlage in so tiefem Einschnitt liegt, daß der Zugang zu einer über die Umgrenzung des lichten Raumes hinweggeführten Brücke ohne Steigung oder mit einer geringen Steigung geschehen kann, die sich namentlich mittels kleiner Rampen ohne wesentliche Belästigung der Reisenden überwinden läßt. Wo dagegen die Gleis- und Bahnsteiganlagen annähernd in Geländehöhe oder erheblich höher als das Gelände liegen, werden im allgemeinen Tunnel vor den Brücken den Vorzug verdienen. Doch kann auch in solchen Fällen für Provisorien bei Bahnhofsumbauten, ferner bei untergeordneter Bedeutung der Verbindungen oder, wenn der Erbauung von Tunneln große bauliche Schwierigkeiten (z.B. vom Grundwasser) entgegenstehen, die Wahl von Brücken gerechtfertigt sein.

Die Mindestbreite der P. wird man so zu bemessen haben, daß 2 Reisende mit Handgepäck einander begegnen können, also auch bei schwächstem Verkehr nicht unter 1∙5–2 m. Bei mittleren Verhältnissen werden Breiten von[481] 4–6 m genügen, bei großem Verkehr Breiten bis 10 m und mehr vorkommen können. Die geringste Höhe der P. über Schienenoberkante beträgt 4∙8 m zuzüglich der Konstruktionshöhe und eines kleinen Spielraums, also selbst, wenn man die Geländer oder Seitenwände als Hauptträger ausbildet, so daß als Konstruktionshöhe nur die der Querträger und des Fußbodens in Frage kommt, mindestens etwa 5∙2–5∙4 m. Die P. liegen entweder als offene, nur von Geländern eingefaßte Stege innerhalb hoher Bahnsteighallen, oder sie liegen oberhalb von niedrigen Bahnsteigdächern, oder vor Kopf einer Bahnsteighalle, oder über unbedeckten Bahnsteigen und bedürfen dann eines eigenen Regenschutzes, in der Regel so, daß sie kastenartig abgeschlossen sind. Etwa erforderliche Zwischenstützen belästigen den Verkehr am wenigsten, wenn sie mit den Bahnsteigtreppen verbunden werden.

Die Anzahl und Lage der P. hängt, wie die der Personentunnel, hauptsächlich von der Lage des Empfangsgebäudes zu der Bahnsteiganlage und von der Art und dem Umfang des Verkehrs ab. Hinsichtlich der Gesamtanordnung, der Lage zu den Gepäckbrücken, der Anordnung der[482] Treppen kann daher auf die Erörterung unter »Personentunnel« und die dort gegebenen Planskizzen verwiesen werden. Auf Kopfbahnhöfen mit Zugang zu den Zungenbahnsteigen vom Kopfbahnsteig aus kommen als Hauptzugang P. ebensowenig in Frage, wie Personentunnel. Dagegen können zur sekundären Verbindung der Bahnsteige, wie dies auf manchen englischen Kopfbahnhöfen der Fall ist, Brücken verwendet werden, die statt der Tunnel auch auf Bahnhöfen in Durchgangsform in England häufiger verwendet werden, als bei uns. Man beschränkt dort häufig die Treppensteighöhe an den Brückenenden, indem man die Brückenenden unter Ausnutzung der Abschrägung der Umgrenzung des lichten Raumes und der Bahnsteigbreite rampenartig herabzieht, wie dies Abb. 444 für die Verbindung zweier Gegenbahnsteige andeutet.

Bei Zugang zum Bahnhof von einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Brücke aus – einer namentlich in England häufigen Anordnung – brauchen besondere P. für den Bahnsteigverkehr nicht notwendig vorhanden zu sein, sind aber bei starkem Verkehr und namentlich, wo mehrere Bahnsteige zwischen den Gleisen vorhanden, kaum zu entbehren. Eine eigenartige Anordnung zeigt der Hauptbahnhof Hamburg. Hier erstreckt sich (Bd. IV, Abb. 252 u. 253 bei Empfangsgebäude) das Empfangsgebäude über die ganze Bahnsteiganlage hinweg, zwischen den beiden Parallelstraßen, dem Glockengießerwall und der Kirchenallee. Die vom Haupteingang am Glockengießerwall zum Hauptausgang an der Kirchenallee durchgehende, einschließlich des durch die Sperre abgetrennten Streifens rd. 22 m breite Haupthalle, an deren einer Seite sich die Wartesäle, Aborte u.s.w. entlang ziehen, während an der andern jenseits der Sperre die zu den Bahnsteigen hinabführenden Treppen anschließen, bildet zugleich eine großartige Bahnsteigbrücke. Noch eigenartiger ist die Anordnung auf dem Bahnhof der Orléansbahn am Quai d'Orsay in Paris. Hier befinden sich (Bd. IV, Abb. 265 bei Empfangsgebäude) über der tiefliegenden Bahnsteiganlage in einem mehrfach durchbrochenen brückenartigen Obergeschoß, von dem Treppen und Gepäckaufzüge zu den Bahnsteigen hinabführen, Abfertigungsräume und Wartesäle. Vgl. auch die Anordnung auf Hauptbahnhof Kopenhagen (s. Gepäckbrücke Bd. V, Abb. 209 daselbst). Als Beispiel konstruktiver Durchbildung gewöhnlicher P. ist in Abb. 445 a u. 445 b die in Eisen ausgeführte Brücke auf dem Bahnhof Harburg wiedergegeben.

Literatur: Eis. T. d. G. Bd. II, Abschn. 3, Wiesbaden 1909. – Cauer, Personenbahnhöfe. Berlin 1913. Hb. d. Ing. W. V, 4, 2. Leipzig 1914.

Cauer.

Abb. 444.
Abb. 444.
Abb. 445 a.
Abb. 445 a.
Abb. 445 b. Personenbrücke auf Bahnhof Harburg.
Abb. 445 b. Personenbrücke auf Bahnhof Harburg.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 7. Berlin, Wien 1915, S. 481-483.
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481 | 482 | 483
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