Profil

[925] [925] Profil. (Zeichnende Künste)

Dieses Wort wird sowol in der Mahlerey, als in der Baukunst gebraucht. Wer einen Menschen nur von der rechten oder linken Seite so sieht, daß dessen andere Seite ganz von der dem Auge entgegenstehenden bedekt wird; der sieht den Umriß desselben nach des Mahlers Ausdruk, im Profil, und diese Art der Ansicht ist der geraden entgegengesezt, da man eine Person von Vorne so ansieht, das die rechte und linke Seite des Körpers gleich vollständig in das Aug fallen.

Hieraus versteht man auch den Ausdruk, halb- und dreyviertel-Profil; jener bedeutet die Ansicht, da man von der hintern Hälfte des Körpers noch etwa die Hälfte, diese wenn man noch etwa ein Viertel davon sähe.

In der Baukunst bedeutet das Wort eine Zeichnung nach dem Durchschnitt1; es sey, daß sie von einem ganzen Gebäude, oder nur von einzelen Theilen, von Säulen, Pfeilern, oder einer ganzen Mauer gemacht werde. Das Profil zeiget demnach die ganze Dike eines stehenden Theiles an, und die Ausladungen aller hervorstehenden Theile. In so fern also die Zeichnung nur den äußersten Seitenumriß eines stehenden Körpers anzeiget, ohne etwas von seinen zwischen diesen liegenden Theilen anzuzeigen, wird sie ein Profil genennt. Wenn z.B. in den Figuren der Artikel: attischer Säulenfuß, und Gebälke blos die Umrisse blieben, alle Queerstriche aber ausgelöscht würden, so würden diese Zeichnungen die Profile des attischen Säulenfußes, und eines jonischen Gebälks vorstellen.

Die Profile der Säulen, und aller mit Gliedern verziehrten Theile, zeigen am deutlichsten die Höhen und Ausladungen der Glieder, und deren Verhältnisse unter einander an. Ein beträchtlicher Theil der Schönheit der Verziehrungen hängt unstreitig davon ab, daß die Profile gut ins Aug fallen, und an den Profilen der Gesimse und ganzer Gebälke kann man gar bald wahrnehmen, ob ein Baumeister ein empfindsames Aug für gute Verhältnisse habe, oder nicht.2 Es ist daher angehenden Baumeistern sehr zu rathen, daß sie sich in aufmerksamer Betrachtung der Profile der berühmtesten Meister sehr fleißig üben, auch andere von schlechten Baumeistern dagegen halten, um ihr Aug an die besten Verhältnisse zu gewöhnen.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 925-926.
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