Betemärten

* Er ist ein Betemärten. (Schles.)

So nannte man früher in der Gegend von Brieg einen Menschen, der am äussern Gottesdienst sehr pünktlich, obgleich ohne Verstand theilnimmt. Diese Redensart hat folgenden Entstehungsgrund. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts lebte in Brieg ein Bauer, mit seinem Vornamen Martin, der die Kirche Sonntags andächtig besuchte und gewöhnlich in einem Winkel stand und so eifrig zuhörte, dass er die ganze Predigt ins Gedächtniss aufnahm, worauf er dann auf die bedeutendsten Plätze der Stadt trat und die Predigt, selbst bei der grössten Kälte, oft bei drei Stunden lang, wiederholte, die Laster, das schlechte Polizeiwesen und andere Ungehörigkeiten, besonders auch die Hoffart strafte, ja zuweilen den Frauenzimmern auf freier Strasse Spitzen, Kragen und Hauben abriss und mit Gottes Strafgericht ernstlich drohte. Da er sehr eifrig betete, wurde er vom Volke Bete-Märten (Bete-Martin) genannt. Dieser Name hat sich erhalten und ist in die obige Redensart übergegangen, um damit Leute zu bezeichnen, die eine ähnliche Richtung verfolgen. (Vgl. Fülleborn, Breslauer Erzähler, 1800, S. 648.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867, Sp. 340.
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