Das Erzstift Mainz

[30] Das Erzstift Mainz, im Niederrheinischen Kreise, zu welchem noch die Stadt und das Gebiet Erfurt in Thüringen, das Eichsfeld im Süden des Niedersächsischen Kreises und einige andre weniger bedeutende Besitzungen gehören, enthält ungefähr 360,000 Einwohner – die Größe desselben ist jedoch nicht bekannt – und trägt 1,700,000 Gulden ein. Von dem eigentlichen Erzstift Mainz liegt der westliche Theil am Main und Rhein beim Zusammenfluß beider Ströme zwischen Pfalz und Hessen, der östliche Theil aber an beiden Seiten des Mains zwischen Hessen, Franken, Schwaben und der Pfalz. Diese Länder haben eine sehr schöne und überaus fruchtbare Lage, sind vortrefflich angebaut und sehr stark bevölkert; die große Trennung zwischen einigen Theilen derselben nöthigt indeß doch besonders den Rheingau (so heißt derjenige Strich, welcher sich von der Hauptstadt am Rheinufer hinab bis zur Stadt Bacharach erstreckt, und welcher das eigentliche Vaterland des Rheinweins, des Hauptproducts der Mainzer Lande, ist)1 und die Hauptstadt selbst, Getreide aus der benachbarten Pfalz zu nehmen. Die Industrie dieser Lande in Manufacturen ist nicht beträchtlich; und wiewohl sich die Handlung in denselben seit zwanzia Jahren sehr gehoben hat, so könnte sie doch unendlich mehr blühen, da die Stadt Mainz das Stapelrecht hat und durch den Rhein, Main und Neckar die ganze Aus- und Einfuhr von Elsaß, der Pfalz, von Franken, einem Theil von Schwaben und Hessen nach den Niederlanden beherrscht. Der verstorbene Churfürst Emmerich Joseph legte einen vortrefflichen Grund zur Verbesserung und Cultur der Mainzer Lande, auf welchem der jetzige, Friedrich Joseph, Freiherr von Erthal (der Freiherr Carl von Dalberg [30] ist bekanntlich Coadjutor), mit gemäßigtem Eifer fortbaut Er verbesserte den geistlichen Stand, reformirte die Universität in Mainz, trug große Sorge für Erziehung und Volksaufklärung, suchte die Manufacturen zu befördern und vorzüglich den Handel empor zu bringen. Auch ist die dortige Geistlichkeit die toleranteste und gesittetste in Deutschland. Uebrigens ist der Erzbischof von Mainz der erste Erzbischof in Deutschland, der erste unter allen geistlichen und weltlichen Churfürsten, in deren Collegio er das Wort führt; er ist Erzkanzler des Römischen Reichs durch Deutschland, und besitzt wichtige Vorrechte bei der Deutschen Staatsverwaltung (welche sich noch aus dem Mittelalter herschreiben, in welchem Mainz, zu dessen Größe schon der h. Bonifaz im 8. Jahrhunderte den Grund legte, der mächtigste Reichsstand war), wiewohl mehrere Nebenumstände die Ausübung derselben oft schwierig machen und den Churfursten nöthigen, sich vorzüglich an Oesterreich anzuschließen. Auch der Mainzische sehr zahlreiche und angesehenste Adel wird für den ältesten und reinsten in Deutschland gehalten.


Fußnoten

1 Nur von wenig ausländischen Arten werden Weine von Kennern unter diesem Namen mit begriffen, nehmlich nur die von Nierenstein, Bacharach und einigen andern wenigen in dem Strich gelegenen Orten.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 30-31.
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