Die Enkaustik

[387] Die Enkaustik, die enkaustische Mahlerei, eine bei den Alten gewöhnliche Mahlerei, deren Benennung sich vom Einbrennen herschreibt. Alles, was wir von der Art und Weise, wie diese Mahlerei geschah, wissen, ist folgendes: Nach der ersten und gewiß sehr alten Art der Enkaustik bediente man sich eines spitzigen eisernen Instruments, das man glühend machte, und damit die Umrisse und späterhin etwa leichte Andeutungen des Schattens in Elfenbein einbrannte. Nach der zweiten Art bediente man sich eines besonders dazu bereiteten Wachses, das man, vielleicht wie unsre Pastellfarben, auftrug, und vermittelst eines Kohlfeuers verschmolz. Nach der dritten Art, bei welcher allein große Gemählde möglich waren, wiewohl sie auch bei kleinen anwendbar war, trug man die mit Feuer aufgelösten Wachsfarben vermittelst eines Pinsels auf. Das Holz war die einzige Materie, auf welche kleine Gemählde gemahlt wurden. Gewöhnlich versteht man unter der Enkaustik bloß die beiden letzten Gattungen derselben, und übersetzt dieß Wort durch Wachsmahlerei. Die Alten bedienten sich derselben theils als Mahlerei, theils auch zum Anstreichen der Mauern, Waffen, Hausgeräthe, um ihnen ein Ansehn zu geben, und sie vor der Feuchtigkeit zu schützen. In dem fünften Jahrhunderte finden wir die letzten Spuren der Wachsmahlerei. Zwar mahlte i. J. 1654. ein Deutscher Künstler, Daniel Bauberger, einen [387] Moses in Wachs; zwar gab i. J. 1752 der Graf Caylus vor, diese verlorne Kunst der Alten der neuen wieder zu geben, und der Mahler Vien verfertigte das erste Gemählde in seiner Manier; zwar machten mehrere Künstler ähnliche Versuche, und noch beschäftigen sich einige damit – indeß scheint die Wachsmahlerei der Alten durch alles dieses noch immer nicht hergestellt zu sein.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 387-388.
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