Ephraim Moses Kuh

[337] Ephraim Moses Kuh, ein jüdischer Gelehrter und Dichter zu Breslau, der Sohn eines jüdischen Kaufmanns, geboren 1731. Er äußerte schon früh ein ungemein starkes Gedächtniß, einen lebhaften Geist und eine unbeschränkte Wißbegierde. Sein Vater bestimmte ihn der jüdischen Gelehrsamkelt und der Theologie; da er [337] aber wenig Neigung dazu hatte, so ging er zur Handlung über, nachdem er sich vorher viele, besonders Hebräische, Sprachkenntnisse gesammelt hatte. Als Kaufmann machte er seinem Stande durch solide Kenntnisse Ehre, und schrieb unter andern so schön, daß seine Handschrift, wenn er sich Mühe gab, äußerst schwer vom Kupferstiche zu unterscheiden war. Mit der Lectüre der vornehmsten Lateinischen, Französischen, Italiänischen und Englischen Schriftsteller, vorzüglich der Dichter, bildete er seinen Geschmack und füllte seine Stunden der Muße aus. Im Jahr 1763 verließ er seine Vaterstadt Breslau, und ging zu seinem Onkel F. Ephraim nach Berlin als Cassirer, wo er sich die Bekanntschaft und Achtung Mendelssohns, Lessings und anderer großer gelehrter Männer erwarb. Hier machte er auch den ersten Versuch in der Dichtkunst, und bildete sein poetisches Genie immer weiter aus. Aber böse Menschen mißbrauchten sein gutes Herz; hierzu kam seine an Verschwendung gränzende Bücher-Liebhaberei: und so kam er um den größten Theil seines Vermögens (er hatte von seinem Vater 6000 Thaler geerbt). Verleumder entzweiten ihn mit seinem Onkel, so daß er 1768 im Verdruß Berlin verließ, und zwei Jahre lang in Begleitung einer ansehnlichen Büchersammlung, von der er sich nie trennen konnte, Holland, Frankreich, Italien, einen Theil der Schweiz und bei seiner Rückreise auch das Reich bereiste. Arm kam er nach Breslau zurück, wo er bei seinen Geschwistern bis an seinen Tod völlig freien Unterhalt hatte. Aber Melancholie – eine Folge seiner traurigen Erfahrungen – verfolgte ihn hier; diese artete in Wahnsinn aus, und stieg endlich bis zur fürchterlichen Höhe der Raserei. Wer sich ihm während eines solchen Anfalls näherte, war in seinen Augen ein Fanatiker, der von Andern angestellt war, seine Gewissensfreiheit zu beeinträchtigen oder ihn zu ermorden. – Schon vorher hatte er von intoleranten und heuchlerischen Glaubensgenossen viel zu leiden gehabt. Ein bekannter Breslauer Gelehrter verfolgte den armen Dichter mit seinem Bekehrungseifer, und verfertigte, da alle mündliche Vermahnungen fruchtlos blieben, folgende Reime, die bald allgemein bekannt wurden und großes Aufsehn erregten:

[338] Liebster, bester Kuh,

Warum bleibest du

Nur allein beim Vater stehn?

Willst nicht auch zum Sohne gehn?

– Sechs Jahre brachte Kuh (einige kurze vernünftige Intervallen ausgenommen) in dem fürchterlichen Zustande der Geistesabwesenheit zu. Endlich wurde er in so fern wieder curirt, daß nur äußerst selten und ein unbeträchtliches und nicht lange dauerndes Recidiv erschien. Merkwürdig ist es, daß er seine besten Gedichte in einem Mittelzustande zwischen Wahnsinn und Vernunft schrieb. Im J. 1786 rührte ihn der Schlag, und den 3. April 1790 starb er. Der größte Theil seiner Gedichte war von der glücklichen Genesung seines Wahnsinns an bis 1786 ausgearbeitet. Viele seiner Uebersetzungen und Nachahmungen des Martial nahm Ramler in den ersten Theil seines herausgegebenen Martial im Auszuge auf. Auch im Deutschen Museum und andern Zeitschriften finden sich Gedichte von ihm. Zwischen 4 – 5000 waren bei seinem Tode noch im Manuscripte, wovon die besten von Ramler gefeilt, und von Kausch i. J. 1792 in zwei Bänden in Zürich herausgegeben worden sind, welcher Ausgabe Herr Moses Hirschel eine Biographie des Verstorbenen vorausgeschickt bat. Die besten seiner Gedichte sind die Sinngedichte, welche jedoch nicht alle Epigramme im neuern Sinne des Worts (s. Epigramm) sondern zum Theil mehr Sentenzen, kleine Lieder etc. sind.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 337-339.
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