Moses Mendelssohn

[117] Moses Mendelssohn wurde 1729 zu Dessau von sehr armen Aeltern geboren. Sein Vater war ein jüdischer Kinderlehrer, und konnte in seiner eingeschränten Lage weder den leiblichen noch geistigen Bedürfnissen seines Sohnes zu Hülfe kommen. Dieser verließ daher in seinem 14. Jahre das väterliche Haus, und begab sich nach Berlin in der Hoffnung, dort einen befriedigenden Unterricht und Aussichten für ein erträgliches Unterkommen zu finden. Ungeachtet er außer der drückendsten Dürftigkeit mit einem sehr schwächlichen Körper zu kämpfen hatte, überwand er doch alle Hindernisse, die sich der Erweiterung seiner Kenntnisse entgegen setzten. Durch die wohlthätigen Unterstützungen, welche ihm einige seiner Glaubensgenossen zukommen ließen, wurde sein Unterhalt gesichert; er konnte also ungehindert die Zeit auf seine eigene Ausbildung verwenden. Er lernte mit vieler Anstrengung die Lateinische und neuere Sprachen, und beschäftigte sich am liebsten mit mathematischen und philosophischen Untersuchungen. Die Bekanntschaft Lessings, die er im Jahre 1754 machte, und die nachher zum unzertrennlichsten Bande der innigsten Freundschaft anwuchs, hatte auf seine völlige Ausbildung einen entscheidenden Einfluß. Mendelssohn machte von nun an das Studium der Philosophie zu seiner Lieblingsbeschäftigung, und erwarb sich das Verdienst, einer der ersten Schriftsteller zu sein, welche über abstracte philosophische Gegenstände in reinem und schönem Deutsch schrieben. Sein Verdienst gewinnt in dieser Hinsicht noch mehr, wenn man bedenkt, daß er nicht zu der Deutschen Nation gehörte. Mendelssohn war zwar kein Originalphilosoph; er folgte grösten Theils der Wolfischen Philosophie, und in der Aesthetik, die er vorzüglich bearbeitete, dem Alexander Baumgarten, welcher diese Wissenschaft in Deutschland einführte: dennoch gehörte er unter die vorzüglichsten Philosophen seiner Zeit. Er war eben so verehrungswürdig als Mensch, und suchte seinen Glaubensgenossen nach [117] Kräften zu nützen. Bescheidenheit, Wohlthätigkeit und ungeheuchelte Rechtschaffenheit waren die Gaben seines Herzens, und Scharfsinn, anhaltende Thätigkeit und eine frohe Heiterkeit die Vorzüge seines Geistes. Lavaters Aufmunterung zum Uebergang zur christlichen Religion lehnte er ab, ohne dabei die gut gemeinte Absicht ihres Urhebers zu verkennen. Ein gelehrter Zwist, welcher sich zwischen ihm und Jacobi über Lessing entspann, machte ihm in den letzten Tagen seines Lebens viel Kummer, und half vielleicht seinen Tod beschleunigen, der am 4. Jan. 1786 erfolgte. Die kaufmännischen Geschäfte, denen er als Director einer Seidenfabrik vorstehen mußte, besorgte er eben so pünktlich als gewissenhaft, und gab dadurch ein schönes Beispiel, daß sich auch dieser Stand mit den Wissenschaften vertrage. Unter seine Eigenheiten gehörte ein sonderbarer Appetit nach Zucker, für den er so heftig eingenommen war, daß er oft bedauerte, daß man nicht Zucker zu Zucker essen könnte.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 117-118.
Lizenz:
Faksimiles:
117 | 118
Kategorien: