Rienzi

[271] Rienzi, von dem gemeinen Haufen Cola de Rienzi genannt – eigentlich hieß er Nicolaus Gabrini; – ein berühmter Volksempörer und Märtyrer der Freiheit im Kirchenstaate, verdient besonders in unsern Tagen bemerkt zu werden, weil er diesen Staat auf kurze Zeit in eine gewisser Maßen nach Altrömischer Art eingerichtete Democratie verwandelte. Zu Anfange des 14. Jahrhunderts geboren, genoß er, obschon sein Vater ein gemeiner Gastwirth in Rom, und seine Mutter eine Wäscherin war, dennoch eine ganz gute Erziehung [271] in den Wissenschaften, wobei ihm freilich die außerordentliche Stärke seines Geistes sehr zu Hülfe kam. Das Studium der in Rom befindlichen Alterthümer, besonders aber sein Hang zum Sonderbaren und seine Ruhmsucht, erweckten in ihm bald den Plan, seinem durch den schrecklichsten Adelsdespotismus unterdrückten und ganz zerrütteten Vaterlande die alte Democratie wiederzugeben. Er erhielt ein Notariatamt, und wurde bald von dem Volke, das ihn wegen seiner Einsicht, Tugend, Uneigennützigkeit und ausgezeichneten Beredsamkeit enthusiastisch verehrte, an den Papst Clemens VI. nach Avignon, der damahligen päpstlichen Residenz, geschickt, um ihn dringend zu bitten, daß er seinen Wohnort nach Rom verändern, und dem durch seine Abwesenheit immer zunehmenden allgemeinen Elend ein Ende machen möchte. Clemens bewunderte seine Talente und Beredsamkeit, ward sein Freund, machte Versprechungen, kam aber nicht. Das Volk wurde immer unruhiger; Rienzi hetzte es durch gemahlte Sinnbilder und mystische Reden noch mehr gegen den Adel auf, suchte aber bloß den Adel einzuschläfern, damit er ihn als einen höchst sonderbaren und närrischen Menschen nicht fürchten möchte. Plötzlich versammelte er 1346 das ganze Volk, vertrieb und verbannte alle Adlichen, besonders die Colonnaʼs, die Häupter derselben, ließ sich zum Volkstribun ausrufen, übte gegen den Adel die strengste Gerechtigkeit aus, und stiftete eine der alten Römischen ähnliche Republik. Seine Gesetze waren weise, seine Verwaltung vortrefflich und sein Ansehn so groß, daß er in wenig Monathen, ohne nach dem Papste zu fragen, mehrere wichtige Händel Europäischer Regenten entschied. Da aber der neue Volkstribun manche lächerliche Träumereien beging, und sich bisweilen vom Stolze verblenden ließ, auch der vom Adel unternommenen Gegenrevolution nicht zeitig genug vorbeugte, so wurde er in Rom selbst geschlagen, von den Anhängern des Papsts, die er zu sehr vernachläßigt hatte, verfolgt und zur Flucht genöthigt. Er, der immer tollkühnen Entwürfen folgte, floh zu seinem persönlichen Feinde, dem Kaiser Carl IV. nach Deutschland, und bekam wirklich von diesem großmüthigen Monarchen einen sichern Zufluchtsort an dessen Hofe, mit dem Versprechen, ihn mit dem Papste wieder auszusöhnen. Allein sein Stolz und die ungemeine Verehrung, [272] die er hier bald erhielt, machten den Kaiser argwöhnisch; und dieser ließ ihn daher unter dem Vorwande, ihn unter sicherm Geleit zum Papste zu bringen, demselben zu Avignon als Gefangnen übergeben. Vermuthlich hätte er hier im strengsten Arrest seine Tage beschließen müssen, wenn nicht unterdessen der Adel in Rom aufs neue alle Gewalt an sich gerissen hätte, so daß Innocenz VI. des Clemens Nachfolger, es für das einzige Rettungsmittel hielt, den Rienzi frei zu lassen, und zur Wiederherstellung der päpstlichen Herrschaft und zum Sturze des Adels nach Rom zu schicken. Rienzi besiegte wirklich den Adel aufs neue, gab dem Papste seine ganze Herrschaft wieder, wurde Römischer Senator, bekam aber, da er alles dem päpstlichen Stuhl wieder unterthänig machte, nicht so starken Anhang als vormahls, weil ein großer Theil des Volks gegen den Papst eingenommen war. Er ergab sich der Trägheit und dem Wohlleben, wurde wegen zu strenger Gerechtigkeitspflege verhaßt, und machte es dadurch der Aristocratenpartei leicht, einen Tumult zu erregen, und ihn dadurch zu stürzen. Der empörte Pöbel verfolgte ihn als Feind des Vaterlandes, verbrannte sein Haus und drohte ihn zu ermorden. Er floh durch die Flammen in Bettlerskleidern, wurde aber erkannt und wandte noch einmahl seine ganze Beredsamkeit an, um den wüthenden Haufen zu besänftigen. Eine ganze Stunde lang stand der Pöbel um ihn herum, und wußte im größten Erstaunen nicht, ob er ihn um Verzeihung bitten oder niederstoßen sollte, bis endlich ein niederträchtiger Bedienter des Hauses Colonna ihn niederstach (1353). Sein Leichnam wurde mit tausend Stichen zerfleischt, an den Galgen gehenkt und dann verbrannt. So schrecklich war das Ende eines der edelsten und uneigennützigsten Volksempörer; bloß das Ueberspannte und Unausführbare seiner Plane, nebst seiner großen Sorglosigkeit für persönliche Sicherheit brachten ihm den Untergang. Nach seinem Tode gelang es auch endlich dem Papste, die verhaßten Aristocraten im Zaume zu halten.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 271-273.
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