Ödipus

[328] Ödĭpus heißt der Held einer der bekanntesten Fabeln des Alterthums, welche zugleich häufig für die Bühne bearbeitet worden ist. Er war der Sohn des Königs-Lajos von Theben und der Jokaste, wurde aber auf seines Vaters Befehl in Folge der Vorhersagung, daß sein Sohn ihn umbringen werde, als neugeborenes Kind mit durchstochenen Knöcheln oder Fußsohlen auf dem Berge Cithäron ausgesetzt. Mitleidige Hirten des Königs Polybos von Korinth fanden ihn dort und brachten ihn der kinderlosen Gemahlin ihres Gebieters, welche den Kleinen aufzog und seiner geschwollenen Füße wegen Ö. nannte. Er wuchs zu einem muthigen und stattlichen Jüngling heran und als er durch Einflüsterungen Anderer zu Zweifeln bewogen, daß Polybos sein Vater sei, um Gewißheit darüber in seine Pflegeältern drang, wiesen ihn diese an das Orakel zu Delphi. Dort erhielt er zur Antwort, er möge sein Vaterland vermeiden, wenn er nicht in Gefahr kommen wolle, seinen Vater zu tödten und mit seiner Mutter Blutschande zu treiben. Weil er nun Korinth für seine Heimat hielt, wollte er sich nach Böotien begeben und begegnete auf der Reise dahin dem König Lajos in einem Hohlwege. Da Ö. sich der Auffoderung von dessen Herold zum Ausweichen nicht fügte, kam es zum Streite, in welchem Ö. den Lajos und dessen Herold tödtete. Er begab sich hierauf nach Theben, das von der Sphinx (s.d.) grade geängstigt wurde, löste glücklich das Räthsel derselben und erwarb die dem Retter von jener Plage verheißene Krone und die Hand seiner von ihm nicht gekannten Mutter Jokaste, wodurch jener Orakelspruch in Erfüllung ging. Aus dieser Verbindung entsprangen die Zwillingsbrüder Eteokles und Polynikes und die Schwestern Ismene und Antigone; allein nur zu bald kam Ö. hinter das Geheimniß seiner Verbindung, worauf Jokaste sich umbrachte und Ö. sich die Augen ausstach und freiwillig ins Elend ging oder nach Andern von seinen Söhnen vertrieben wurde, während seine Töchter sich ihm mit kindlicher Zärtlichkeit anschlossen.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 328.
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