Ödĭpus [1]

[214] Ödĭpus, Sohn des Laïos, Königs von Theben, u. der Epikaste od. Jokaste. Das Orakel warnte den Laïos vor Umarmung seiner Gemahlin, weil das daraus entsprießende Kind sein Mörder werden würde. Laïos beachtete dies nicht, u. seine Gattin gebar ihm einen Sohn, den Ö. Mit durchbohrten Fersen ließ er denselben durch einen Sklaven auf den Berg Kithäron aussetzen, der Sklav übergab jedoch den Knaben einem Hirten des korinthischen Königs Polybos, u. dieser brachte denselben seinem Könige, dessen kinderlose Gemahlin Merope (n.And. Periböa) ihn aufnahm u. von seinen angeschwollenen Füßen Ö. (Schwellfuß) nannte. Als Jüngling wurde ihm einst bei einem Gelag der Vorwurf gemacht, daß er nicht von ehrlicher Geburt, sondern untergeschoben sei. Voll Schmerz darüber befragte er das Delphische Orakel, u. dieses antwortete ihm: vermeide die Flurender Heimath, sonst wirst du deines Vaters Mörder u. deiner Mutter Gemahl werden! Er vermied, von da fortgehend, Korinth, welches er für sein Vaterland hielt, u. ging nach Theben zu. In einem Engpaß in Phokis, bei dem Scheidewege Schifte, zwischen Delphi u. Daulis, begegnete ihm sein unbekannter Vater Laïos, dessen Wagenlenker ihm auszuweichen gebot. Als Ö. dies nicht that, entstand ein Kampf, u.ö. tödtete erst den Wagenlenker u. dann den Laïos u. setzte dann seinen Weg nach Theben fort. Im Gebiet von Theben wüthete damals das Ungeheuer Sphinx u. tödtete jeden, welcher das von ihr aufgegebene Räthsel (s.u. Sphinx) nicht lösen konnte. Ö. löste das Räthsel, befreite die Stadt von der Sphinx, welche sich von dem Felsen stürzte, erhielt nach der Zusage als Lohn dafür die Herrschaft über die Stadt u. die Hand der Jokaste (Epikaste) u. erfüllte auf diese Weise das Orakel. Eine Pest u. Mißwachs über Theben war nach Jahren die Strafe der Götter wegen dieser unnatürlichen Verbindung, u. das darum befragte Orakel verhieß nur Befreiung davon, wenn derjenige entfernt sein werde, welcher durch den Vatermord u. die Heirath seiner eignen Mutter den Fluch über das Land gebracht hätte. Ö. erfuhr vom Seher Tiresias das Geheimniß seines Schicksals; Jokaste erhängte sich, Ö. aber stach sich beide Augen aus u. verlangte von den Thebanern, daß sie ihn verstießen. Später geschah dies wirklich u. zwar unter Mitwirkung seiner herrschgierigen Söhne Eteokles u. Polynikes; die eine seiner beiden Töchter, Antigone, leitete den blinden Vater nach Kolonos in Attika, wo er im Haine der Eumeniden zu Athen starb. Seine andere Tochter hieß Ismene. Von den vielen diesen Gegenstand behandelnden Tragödien aus dem Alterthum sind noch erhalten des Sophokles Ö. Tyrannos (Oe. Rex) u.ö. auf Kolonos.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 214.
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