Esthland

[700] Esthland, Ehstland oder die Statthalterschaft Reval, ist eine der sogenannten deutschen Provinzen des russ. Reichs, indem der Adel und die Bewohner der Städte meist deutscher Herkunft sind und das Deutsche unter den Gebildeten die herrschende Sprache ist. Nur das eigentliche Landvolk besteht aus Esthen, einer finnischen Völkerschaft, spricht einen finnischen Dialekt und lebte in der härtesten Leibeigenschaft, bis durch kais. Verordnungen von 1804 und mehr noch durch spätere die Leibeigenschaft zum Theil aufgehoben wurde; außerdem sind noch Schweden auf den zu E. gehörigen Inseln Dagö, Worms und Nuckö ansässig. E. heißt in der Landessprache Wirowa, d.i. Grenzland, wird nördl. vom finnländ. Meerbusen, nordöstl. von der Statthalterschaft Petersburg, südöstl. vom Peipussee, südl. von Liefland, westl. vom baltischen Meere begrenzt und hat auf 340 ! M. gegen 310,000 Einw. Das meist flache Land hat viel sandigen und steinigen Boden, allein auch sehr fruchtbare Gegenden und es wird viel Getreide, Hanf und Flachs und Gemüse gebauet, sowie Rindvieh- und Pferdezucht mit Auszeichnung betrieben. In den ansehnlichen Waldungen gibt es viel Bären und Wölfe; Elennthiere sind selten und außer Hafen und Federwild findet sich wenig eßbares Wild; die Fischerei an den Küsten und auf dem Peipussee ist einträglich. Der Sitz der Provinzialbehörden ist die befestigte Hauptstadt Reval, am finnischen Meerbusen, mit einem Hafen, 14,000 Einw., welche bedeutenden Seehandel, auch einige Fabrikgeschäfte treiben. Bei der kleinen Stadt Narwa an der [700] Narowa, dem Abflusse des Peipussees und einzigem ansehnlichen Gewässer der Provinz, besiegte im Jahre 1700 Karl XII. mit 8000 Schweden ein zehnfach stärkeres russ. Heer. – Die Esthen und ihre Nachbarn wurden dem christl. Europa zuerst im 12. Jahrh. durch bremer Kaufleute bekannt, waren schon in früherer Zeit den Russen unterthan, suchten sich aber ihrer Oberherrschaft zu entziehen. Seit 1346 gehörte E. dem deutschen Orden, begab sich 1561 nach dessen Verfall unter schwed. Schutz und wurde 1710 von Peter dem Großen für Rußland erobert.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 700-701.
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