Karl XII.

Karl XII.

[559] Karl XII., 1697–1718 König von Schweden, war 1682 zu Stockholm geboren, ein Sohn Karl XI. und hatte eine ausgezeichnete Erziehung genossen, als er nach dem Tode seines Vaters, erst 15 Jahre alt, von den schwed. Ständen für großjährig erklärt wurde und die Regierung antrat.

Die nordischen Mächte Rußland, Polen und Dänemark wollten die Jugend des schwed. Königs benutzen, um das Ansehen, welches Schweden im Norden Europas behauptete, zu vernichten, und schlossen daher ein Bündniß, in dessen Folge der nordische Krieg ausbrach. Der erste Angriff geschah von Seiten Dänemarks gegen den Herzog von Holstein-Gottorp, welcher mit einer Schwester K.'s vermählt war. K. begab sich 1700 seinem Schwager zu Hülfe mit einer Flotte, welche noch von einem engl.-holländ. Geschwader unterstützt wurde, nach Dänemark; vor seiner überlegenen Macht zogen sich die Dänen zurück, und als sich K. zur Belagerung Kopenhagens anschickte, kam der Friede zu Stande, durch welchen der Herzog von Holstein-Gottorp sein ganzes ihm streitig gemachtes Ansehen zurückerhielt. August, König von Polen und Kurfürst von Sachsen, belagerte indeß Riga, sowie Peter der Große, der Zar von Rußland, Narwa und das um den finnischen Meerbusen gelegene Land bedrohte. K. wendete sich zunächst gegen die Russen, griff mit seinen 20,000 M. das in einem verschanzten Lager bei Narwa stehende 50000 M. starke russ. Heer an und trug den vollständigsten Sieg davon, denn die ganze feindliche Armee wurde auseinandergesprengt und kam größtentheils um oder wurde gefangen genommen. Nachdem K. über die Düna gesetzt, wurden auch die Polen besiegt. Der junge muthige König wies alle Unterhandlungen, zu welchen sich seine Feinde bereit erklärten, zurück, verfolgte und besiegte die Polen wiederholt und hatte endlich 1703 ganz Polen besetzt. Nun ließ K. durch den Cardinal Primas den poln. Thron für erledigt erklären und Stanislaus Leszczynski zum König erwählen. Sogar bis nach Sachsen wurde der entthronte König August von K. verfolgt und jener sah sich genöthigt, 1706 im Frieden zu Altranstädt die härtesten Bedingungen einzugehen. Patkul, ein Liefländer, welcher die Verbindung der nord. Mächte gegen Schweden zu Stande gebracht hatte und sich in Dresden als russ. Gesandter befand, mußte K. ausgeliefert werden und wurde von diesem zum Tode durch das Rad verurtheilt. K. stand jetzt auf dem Gipfel seiner Macht; nicht nur durch seine Kühnheit und seine Siege hatte er sich die Achtung seiner Zeitgenossen erworben, sondern auch durch die strenge Mannszucht, welche er in seinem Heere hielt, und durch seine eigne Mäßigung. Im Lager von Altranstädt wurde er von mehren Fürsten persönlich und von andern durch ihre Gesandten begrüßt und auf sein Verwenden versprach der Kaiser, daß den Protestanten in Schlesien vollständige Gewissensfreiheit zugestanden sein solle. Im Herbst 1707 verließ K. Sachsen und zog gegen seinen noch übrigen Gegner, den Zar Peter. Er wollte mit seiner Hauptmacht gradezu gegen Moskau vorrücken, als er sich bei Smolensk von dem Kosackenhetman Mazeppa (s.d.) bestimmen ließ, nach der Ukraine zu gehen, wo ihm nach dessen Versprechen die Kosacken als Verbündete zufallen sollten. Heftige Kälte, beständige Angriffe, Mangel an Lebensmitteln schwächten sein Heer, die durch russ. Strenge eingeschüchterten Kosacken leisteten dem Könige nicht den erwarteten Beistand, und ein vom General Lewenhaupt aus Liefland herbeigeführtes Hülfsheer langte in einem traurigen Zustande an. Die letzte Hoffnung beruhte auf der Eroberung des mit Vorräthen reich ausgestatteten Pultawa, als Peter der Große mit einem 70,000 M. starken Heere sich dem schwed. Könige in den Weg stellte. K. selbst war bei einer Recognoscirung am Schenkel verwundet worden und konnte daher bei der nun erfolgenden Schlacht kein Pferd besteigen, sondern mußte sich in das Treffen in einer Sänfte tragen lassen. In der Schlacht bei Pultawa 1709 wurden die Schweden völlig geschlagen; K. selbst entfloh mit Mazeppa und einer geringen Bedeckung unter harten Mühseligkeiten auf türk. Gebiet, wo er in Bender ehrenvolle Aufnahme fand. Nun erhoben sich sämmtliche Feinde K.'s von Neuem. Der Kurfürst August widerrief den Frieden von Altranstädt, Friedrich IV., König von Dänemark, landete in Schonen auf schwed. Gebiet und Peter drang in Liefland ein. Während die Schweden sich so gut als möglich gegen die weit überlegenen Feinde hielten, suchte K. von Bender aus die Türken zum Kriege mit Rußland aufzuregen, welches ihm auch gelang, und Peter befand sich 1711 in der verzweifeltsten Lage, als ihn die Aufopferung und Klugheit seiner Gemahlin Katharina rettete. Sie [559] bewog die Türken zum Frieden, in welchem auf K. gar keine Rücksicht genommen war. Bald gelang es nun auch den Russen, den schwed. König bei der Pforte anzuschwärzen, als ob er feindliche Absichten gegen dieselbe hege, und daher wurde dem Befehlshaber von Bender der Auftrag ertheilt, ihn zur Abreise zu nöthigen und wenn er sich weigere, ihn gefangen zu nehmen. K. hatte noch ungefähr 300 M. um sich und beschloß, sich mit diesen in seinem Aufenthaltsorte Varnitza bei Bender gegen die Türken zu vertheidigen. Mit verzweifeltem Heldenmuthe kämpfte die kleine Schar gegen ein Heer von Türken; endlich gerieth K.'s Haus in Brand, er wollte sich herausstürzen, verwickelte sich aber in seine Sporen, fiel und wurde von den Türken gefangen genommen. Die Kleider waren ihm mit Blut getränkt und die Augenwimpern vom Pulver verbrannt. Er wurde nun von den Türken nach Demotika bei Adrianopel gebracht. Mit Lesen und Schreiben beschäftigt, brachte er hier zwei Monate im Bette zu, indem er sich für krank ausgab, und nachdem er endlich jede Hoffnung auf Unterstützung von Seiten der Pforte aufgegeben hatte, begab er sich, nur von zwei Offizieren begleitet, auf die Heimreise. Tag und Nacht ritt er ungekannt durch Ungarn und Deutschland, mußte noch einen seiner Begleiter, der ihm nicht zu folgen vermochte, unterwegs zurücklassen und kam endlich im Nov. 1714 des Nachts vor Stralsund an, wo man kaum seinen Augen traute. Mit unbeschreiblichem Jubel wurde K. von seinen Unterthanen begrüßt; aber bald nach seiner Ankunft wurde Stralsund von den Verbündeten belagert und mußte 1715 übergeben werden. K. ging nun nach Lund in Schonen, griff das zu Dänemark gehörige Norwegen an und ging mit dem Gedanken um, nach Befriedigung Rußlands, mit welchem Unterhandlungen angeknüpft worden waren, sich Norwegens und nachher Schottlands, weil der engl. König Georg I. sich gegen K. erklärt hatte, zu bemächtigen. K. war mit der Belagerung von Friedrichshall beschäftigt, und als er im Laufgraben, auf die Brustwehr gelehnt, auf die Arbeiten herunterblickte, traf ihn eine Flintenkugel, welche ihm durch beide Schläfe ging. Als man den König in derselben Stellung todt fand, hielt seine Hand den Griff des Degens krampfhaft umfaßt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Kugel nicht von den Feinden, sondern von einem Mörder im schwed. Heere gekommen ist. K. XII. war ganz zum Krieger geschaffen, er haßte Alles, was das Leben verweichlicht. In frühester Jugend schon liebte er die Jagd, besonders die Bärenjagd und andere anstrengende Leibesbewegungen. Später, auf seinen Feldzügen, lebte er wie der geringste seiner Krieger. Seine Kleidung war ein einfacher grobtuchener blauer Rock mit kupfernen Knöpfen, dazu hatte er stets große Reiterstiefeln und Reiterhandschuhe an. Auf seinen Tisch kam kein Wein, öfters genoß er nichts als grobes Brod und Wasser, und im Lager hüllte er sich in seinen Mantel und schlief wie seine Krieger auf bloßer Erde. Sein Charakter war von eiserner Festigkeit, daher er sich im Unglück ebenso wenig niederbeugen ließ, als er im Glück übermüthig wurde. Doch artete sein Muth zuweilen in Tollkühnheit aus, und in der Verfolgung seiner Pläne ging er zu weit, weil seine Pläne selbst über das Gebiet des Möglichen hinausschweiften. Sowie Schweden unter ihm seinen höchsten Glanzpunkt erreicht hatte, so sank es auch nach seinem Tode immer mehr zur politischen Bedeutungslosigkeit herab. Auf dem schwed. Throne folgte K. seine an Friedrich, den Erbprinzen von Hessen, verheirathete Schwester Ulrike Eleonore. Voltaire hat K. XII. Geschichte schön, wenn auch nicht mit historischer Strenge, geschrieben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 559-560.
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