Karl XIV.

Karl XIV.

[560] Karl XIV. Johann, seit 1818 regierender König von Schweden und Norwegen, heißt eigentlich Jean Baptist Julius Bernadotte und ist, geb. am 26. Jan. 1764, der Sohn eines Rechtsgelehrten zu Pau im franz. Departement Niederpyrenäen.

Aus Neigung bestimmte er sich 1780 für den Militairstand, kam während des nordamerik. Kriegs in engl. Gefangenschaft, wurde jedoch bald wieder ausgeliefert und war bei Beginn der franz. Revolution noch Sergeant. Während des nun folgenden Revolutionskriegs stieg er aber bald zu bedeutenden Stellen in der Armee. Er war 1794 in der Schlacht bei Fleurus Divisionsgeneral, kam im folgenden Jahre in derselben Eigenschaft zur Rheinarmee und trug namentlich zum Rheinübergange bei Neuwied bei, commandirte 1796 eine Division unter der Rheinarmee Jourdan's, und empfahl sich im nächsten Jahre Napoleon, unter welchem er in Italien diente. Er überbrachte in dessen Auftrag die bei Rivoli eroberten Fahnen nach Paris. Das Directorium wollte ihm den Auftrag geben, das empörte Marseille zur Ruhe zu zwingen, doch lehnte er denselben ab und kehrte nach Italien zurück. Nachdem 1797 der Friede zu Campo Formio geschlossen worden war, vermählte er sich das Jahr darauf mit Eugenie Bernhardine Desirée, Tochter des Kaufmanns Clary in Marseille und Schwester der Gemahlin Joseph Bonaparte's, und kam als franz. Gesandter nach Wien. Ein Pöbelauflauf, welcher durch die am franz. Gesandtschaftshause aufgesteckte dreifarbige Fahne veranlaßt wurde, bewog ihn, Wien zu verlassen und erst nach Rastadt, dann nach Paris zu gehen. Bei Wiederausbruch des Krieges 1799 war er anfangs mit dem Oberbefehle über die Observationsarmee beauftragt, wurde jedoch, als die Östreicher und Russen in Deutschland und Italien vordrangen, [560] als Kriegsminister nach Paris gerufen. Als man ihm schon nach drei Monaten dieses Amt wieder abnahm, ging er nicht zur Armee zurück, sondern nahm den Abschied und lebte auf dem Lande. Nach Napoleon's Erhebung zum ersten Consul von diesem in den Staatsrath zurückberufen, konnte er mit demselben nicht übereinstimmen, und die durch Joseph Bonaparte bewirkte Aussöhnung war nur scheinbar. Bernadotte erhielt nun den Oberbefehl über die Westarmee gegen die abermals im Aufstande begriffene Vendée. Durch Milde und Menschlichkeit wirkte er versöhnend und beruhigend. Schon war er zum franz. Gesandten nach Nordamerika bestimmt, als durch den Wiederausbruch des Krieges mit England seine Abreise verhindert wurde. Nachdem Bernadotte 1804 an Mortier's Stelle nach Hanover geschickt worden war und er sich hier durch sein humanes Benehmen allgemeine Liebe erworben hatte, ertheilte ihm Napoleon 1805. das Großkreuz der Ehrenlegion und ernannte ihn zum Marschall von Frankreich. Von Hanover aus führte Bernadotte ein franz. Heer bei Ausbruch des Krieges gegen Östreich den Östreichern in den Rücken und zeichnete sich in der Schlacht bei Austerlitz auf das vortheilhafteste aus, worauf er 1806 den Titel eines Fürsten von Ponte Corvo erhielt. Auch an dem Erfolge der Schlachten bei Jena und Auerstädt hatte Bernadotte wesentlichen Antheil und er war es, der den General Blücher nach Lübeck verfolgte und ihn zur Capitulation zwang. Gegen eine Abtheilung Schweden, welche die Franzosen zu Gefangenen machten, benahm er sich mit großer Menschenfreundlichkeit. Nachdem er sich hierauf nach Preußen gewendet, lieferte er 1807 den Russen die Schlacht bei Mohrungen, durch welche dieselben von einem Überfall der franz. Hauptarmee abgehalten wurden. Bei Spangen wurde er indeß verwundet und zurückzugehen gezwungen. Das in Deutschland zurückbleibende Heer wurde nun seinem Oberbefehle übergeben und 1809 erhielt er den Befehl, mit den Sachsen zu der franz. Hauptarmee in Östreich zu stoßen. Er focht in der Schlacht bei Wagram mit, eroberte das Dorf und behauptete es zwei Stunden lang. Da foderte er von dem General Dupas Unterstützung, er hielt aber zur Antwort, daß denselben höhere Befehle abhielten, ihm Beistand zu leisten. Nachdem sich Bernadotte nun aus Wagram zurückgezogen hatte und die Schlacht beendet war, beschwerte er sich bei Napoleon über den General Dupas. Dieser aber wurde von dem Kaiser entschuldigt und Bernadotte veruneinigte sich darüber so mit Napoleon, daß er seine Befehlshaberstelle niederlegte und die Armee verließ. Nun lebte er zu Paris, wurde jedoch von dem Kriegsministerium an die Spitze der Truppen gestellt, welche den Engländern entgegengehen sollten, die auf Walcheren gelandet waren. Er war in den Privatstand zurückgekehrt, als er 1810 die Nachricht erhielt, daß man damit umgehe, ihn zum Kronprinzen von Schweden zu erwählen. Die bei ihm erscheinenden schwed. Gesandten wies Bernadotte an Napoleon, welcher die Wahl auf den König von Dänemark zu lenken gewünscht hatte, aber den Gesandten erwiderte, daß er der Erhebung des Prinzen von Ponte Corvo zum Kronprinzen von Schweden nicht entgegen sein wolle. Am 18. Aug. 1810 schlug wirklich der schwed. König Karl XIII. den Ständen des Königreichs Bernadotte zum Kronprinzen und einstigem Könige vor, und ein von den Ständen niedergesetzter Ausschuß wählte ihn am 21. Aug. fast einstimmig mit der Bedingung, daß er zur evangelisch-lutherischen Religion übertrete. Karl XIII. machte die Wahl am 26. Sept. 1810 der Reichsversammlung zu Örebro bekannt, nachdem Bernadotte vorher zum Ritter des Seraphinenordens erhoben worden war. Der nunmehrige Kronprinz von Schweden wurde zugleich Reichsgeneralissimus. Er legte am 19. Oct. 1810 zu Helsingör im Hause des schwed. Consuls das Glaubensbekenntniß der evangelischlutherischen Kirche ab, landete am 20. zu Helsingborg und wurde am 31. Oct. der Reichsversammlung vorgestellt. Hierauf ward er durch eine Acte vom 5. Nov. 1810 von Karl XII. adoptirt, nahm die Namen Karl Johann an, leistete vor dem Throne den Eid als Kronprinz und Thronfolger und empfing endlich die Huldigungen der Stände. In Folge seines Einflusses erklärte Schweden am 17. Nov. 1810 an England den Krieg, als K. jedoch am 17. März 1811 für seinen kranken Adoptivvater die Regierung unter einigen Einschränkungen übernommen hatte und Napoleon 2000 M. schwed. Matrosen für die franz. Flotte in Brest verlangte, verweigerte er diese. Da Schweden auch das Continentalsystem nicht mit der Strenge handhabte, welche Napoleon verlangte, so besetzte derselbe Schwedisch-Pommern. Karl XIII. übernahm am 7. Jan. 1812 die Regierung wieder und der Kronprinz erstattete nun einen merkwürdigen Bericht über den Zustand des Königreichs, in dessen Folge am 29. Jul. 1811 allen Nationen die schwed. Häfen wieder eröffnet, also das Continentalsystem völlig aufgehoben wurde. Ein von Frankreich angetragenes Bündniß gegen Rußland wurde ausgeschlagen und dagegen ein geheimer Vertrag mit Rußland gegen Frankreich eingegangen. Der Kronprinz selbst hatte eine Zusammenkunft mit dem russ. Kaiser Alexander. Nachdem auch mit England der Friede förmlich abgeschlossen war, erklärte endlich im Jul. 1813 Schweden an Frankreich den Krieg. Zugleich traf K. im Hauptquartiere der verbündeten Monarchen, des russ. Kaisers und des Königs von Preußen zu Trachenberg in Schlesien ein. K. übernahm den Befehl über die Nordarmee, war jedoch fortwährend bemüht, eine Vermittelung unter den streitenden Mächten herbeizuführen. Er schrieb deshalb zu wiederholten Malen an Napoleon, und später war er auch gegen den Übergang der Verbündeten über den Rhein. Mit seiner Armee besiegte K. die Franzosen in den Schlachten bei Großbeeren und bei Dennewitz, und rückte dann gegen Leipzig vor, wodurch er zur Entscheidung der leipziger Schlacht wesentlich beitrug. Nach derselben richtete sich K. nach Mecklenburg gegen die vereinigte franz.-dänische Armee, trennte dieselbe, ließ ein Blockadecorps vor Hamburg, in das sich Davoust mit den Franzosen geworfen und nöthigte den König von Dänemark 1814 zum Frieden von Kiel, in welchem Norwegen an Schweden abgetreten wurde. Jetzt zog K. mit dem größten Theile seines Heers durch Hanover gegen die franz. Grenze, rückte aber so langsam vorwärts, daß die Verbündeten schon in Paris eingerückt waren, ehe K. den Kriegsschauplatz erreicht hatte. Nachdem Karl XIII. am 5. Febr. 1818 gestorben war, bestieg K. den Thron und ist seitdem unablässig bemüht gewesen, das Glück seines neuen Vaterlandes zu fördern und die Liebe seiner Unterthanen zu gewinnen. Armee und Flotte sind von ihm auf einen hohen Standpunkt gebracht und die Bildungs-und Unterrichtsanstalten [561] Schwedens sind vermehrt und verbessert worden. Fortwährend ist K. mit der Abschaffung veralteter Misbräuche beschäftigt gewesen, hat aber dabei einer weisen Mäßigkeit stets Gehör gegeben. Nicht wenig haben zur Hebung der Betriebsamkeit im Lande die unter K. vollendeten Kanalbauten (vgl. Göthakanal) beigetragen; auch wurde von ihm die Centralfestung Wanäs bei dem Wettersee begründet. Nachdem K.'s Gemahlin 1811 auf kurze Zeit nach Stockholm gekommen war, ging dieselbe nach Paris und lebte hier unter dem Namen einer Gräfin von Gothland bis 1829, wo sie zu ihrem Gemahl zurückkehrte und als Königin gekrönt wurde. K.'s Sohn, jetzt Kronprinz von Schweden und Norwegen, Joseph Franz Oskar, geb. 1799, erhielt nach seines Vaters Adoption den Titel eines Herzogs von Südermanland. Er zeichnete sich zuerst bei Gelegenheit des Feldzugs gegen den dän. Prinzen Christian Friedrich aus, welchen die Norweger 1814 zum Könige ernannt hatten. Er ist Großadmiral und Großmeister der Artillerie und wurde 1818 durch die schwed. Reichsstände und das norweg. Storthing zur Ausübung der königl. Gewalt ermächtigt, sobald der König durch Abwesenheit oder Krankheit an der Regierung gehindert wäre, welcher Fall 1831 eintrat. Seit 1823 ist derselbe mit Josephine, Prinzessin von Leuchtenberg, vermählt und hat mehre Söhne.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 560-562.
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