Esthland [2]

[915] Esthland (Gesch.). Die Esthen, nach Sprache, Sitten u. Körperbildung mit den Finnen verwandt, sind wahrscheinlich die Ästyer des Tacitus, welche derselbe aber fälschlich für Germanen hält; die Russen nennen sie Tschuden, sie selbst haben keinen Namen als Volk, aber ihr Land nennen sie Meie ma (unser Land). Zu Anfang des 6. Jahrh. v. Chr. bewohnten sie noch das Bernsteinland, aber bald darauf wurden sie von den Preußen nördlich gedrängt u. saßen nun am Ostufer des Baltischen Meeres. Doch breitete sich, nach angelsächsischen u. normännischen Historikern, im 9. Jahrh. ihr Land (Eastland, Estum) bis zur Weichsel aus, u. Adamus Bremensis bezeichnet damit das ganze Land zwischen Düna u. Newa. Der Name E. (Eystland, lat. Estonia) ist von nun an sehr bekannt, er bedeutet wahrscheinlich Ostland. 1158 landeten bremische Kaufleute, durch Sturm verschlagen, in E. u. ließen sich zum Theil dort nieder; 1190 erschien ein Mönch, Meinhard von Sageberg, dort u. predigte das Christenthum, aber ohne großen Erfolg; 1201 unterwarf König Knut VI. von Dänemark die Esthen (nach And. that dies schon Knut IV. 1080), nöthigte sie zur Annahme des Christenthums, legte Reval an u. gründete ein Bisthum. Erst 1347 kaufte der Deutsche Orden E.[915] von König Waldemar III. u. führte, nachdem er die letzten heidnischen Bewohner zum Christenthum gezwungen hatte, dort die Leibeigenschaft ein. Die Esthen empörten sich öfters gegen ihre willkürlichen u. grausamen Herren, verschlimmerten aber dadurch nur ihre Lage u. waren zuletzt blos Sklaven der Ritter u. Priester. E. wurde mit Livland von einem Heermeister regiert u. theilte die Schicksale Livlands; es war der Tummelplatz der dänischen, polnischen, schwedischen u. russischen Waffen (s. Deutscher Orden [Gesch.]). 1521 machte sich der Heermeister Walther von Plettenberg vom Orden unabhängig, begünstigte die Reformation u. erhielt vom Kaiser Karl V. die Würde eines deutschen Reichsfürsten. Da aber die Russen von dieser Zeit an öfters in E. einfielen, so begab sich dieses 1561 freiwillig unter Schwedens Schutz u. blieb mit diesem Staate vereint, bis zu Ende 1710 Czar Peter I. von Rußland E. eroberte u. durch den Nystädter Frieden 1721 mit seinem Reiche vereinigte. Die politische Lage blieb auch unter der russischen Herrschaft; 1783 wurde E. zu einer Statthalterschaft eingerichtet u. in die 5 Districte: Harrien, Westherrien, Wierland, Jerven u. Wiek getheilt, später aber wurden die Districte in die jetzigen 4 Kreise u. 11 Districte, s. Esthland (Geogr.), umgeändert. Unter Alexander I. wurde 1818 die Leibeigenschaft hier für aufgehoben erklärt u. von 1822–1824 wirklich aufgehoben. Vgl. Hupel, Topographische Nachrichten von Livland u. E., Riga 1774–82, 3 Bde.; Petri, Ehstland u. Ehsten, Gotha 1802; Derselbe, Neuestes Gemälde von Livland u. E. unter Katharina II. u. Alexander I., Lpz. 1809; Ewer, Des Herzogthums E-s Ritter- u. Landrechte, Dorp. 1821; Willegeröd, Geschichte E-s, Lpz. 1817; Kruse, Urgeschichte des Esthnischen Volksstammes, ebd. 1846; Die Civil- u. Militäroberbefehlshaber in E. von 1704–1855, Dorpat 1836; Julius Paucker, Die Regenten, Oberbefehlshaber u. Oberbeamten E-s, Reval 1855.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 915-916.
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