Dorpat

[272] Dorpat (Dörpt, esthnisch Tart-Liu), 1) Kreis in der Statthalterschaft Livland am westlichen Ufer des Peipussee, 155 QM., 196,000 esthnische, deutsche u. wenige russische Ew., wellenförmig hüglig, bewässert vom Embach; bringt Holz, Vieh, Getreide; 2) Hauptstadt darin an dem schiffbaren Embach, in einem angenehmen Thale, auf dessen Thalrändern sich die Ruinen des Doms befinden, wovon jedoch ein Theil zur Universitätsbibliothek wiederhergestellt ist; Universität (1632 von Gustav Adolf von Schweden gestiftet, 1699 nach Pernau verlegt, ging 1710 ein, wurde von Paul I. neu begründet, doch erst durch Stiftungsurkunde vom 12. Dec. 1802 vom Kaiser Alexander völlig organisirt für die 3 Gouvernements Esthland, Kurland u. Livland), welche über 60 Lehrer u. 650–700 Schüler zählt, dabei eine Bibliothek (70,000 Bände), medicinische, chirurgische, klinische u. Entbindungsanstalten, Botanischer Garten, Sternwarte, Naturalien-, Physikalisches, Mathematisches, Technisches, Modellcabinet. Außerdem hat D. an Bildungsanstalten: 1 Gymnasium, 1 Kreis-, 1 Töchter-, 1 Thierarzneischule, 11 Elementarschulen, Kunstmuseum, Landschullehrerseminar; Kirchen: 1 griechische, 1 lutherische u. 1 esthnische Kirche; Esthnische Gesellschaft, Naturforschende Gesellschaft, Gesellschaft zur Aufmunterung der Landwirthschaft u. des Gewerbefleißes; Handel u. Schifffahrt, vom Embach über die Narwa u. den Peipussee, Tuchfabrikation; 13,000 Ew. – D. ist 1030 gegründet; bis 1223 besaßen es die Russen, die es Juriogorod nannten da aber eroberte es der Deutsche Orden u. behauptete es auch 1224 gegen die von Nowgorod; 1225 machte es Hermann, Bischof von Esthland, zum Sitze des Bisthums Esthland; 1268 wurde die Stadt von den Russen verbrannt; 1427 von den Pleskowern vergebens belagert, 18. Juni 1558 von Iwan Wasiljewitsch erobert. 1571 richteten hier die Russen ein schreckliches Blutbad an, da mehrere Bürger die Stadt an die Holsteiner hatten übergeben wollen. 1582 wurde D. an Polen abgetreten, 1625 aber von den Schweden eingenommen, unter deren Herrschaft 1632 von Gustav Adolf die Universität[272] gegründet wurde. Die Stadt wurde 1704 von den Russen erobert u. zerstört; 1763 u. 1775 große Brände, doch wurde D. beidemal von der Kaiserin Katharina II. im Wiederaufbau unterstützt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 272-273.
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