Reval

[84] Reval, 1) (sonst Harrien), Kreis im russischen Gouvernement Esthland, an Livland u. den Finnischen Meerbusen grenzend, zählt 98,000 Ew.; 2) (Revel), Hauptstadt des Kreises u. des Gouvernements, Sitz der Provinzial- u. Kreisbehörden, eines Civil- u. Kriegsgouverneurs; zerfällt in den meist vom Adel bewohnten, mit Mauern umgebenen hoch gelegenen Domberg, in die eigentliche Stadt u. in weitläufige russische Vorstädte, wo meist Kaufleute wohnen; hat verfallene Festungswerke, Dom od. Ritterkirche, mit Begräbniß des Admirals Grey, Nikolaikirche, mit dem des mumisirten Herzogs von Croy, welcher die Schlacht von Narwa verlor, Olaikirche, mit prachtvoller Orgel. Von den 12 Kirchen der Stadt sind 6 griechisch-russische, 1 katholische, 1 reformirte, 1 esthnisch-, 1 schwedisch- u. 2 deutschlutherische. Ferner hat die Stadt ein Schloß (Sitz des Gouverneurs), Admiralität, Commandantenhaus, Ritterschaftshaus, Gymnasium, See- u. Landhospital, mehre Armenhäuser, Rathhaus, Gildehaus, das Haus der schwarzen Häupter, die Muße, Brakhof, Wage, Kasernen, Bankhaus, Admiralitätsmagazin, Casino, Theater, Waisen-, Zuchthaus, Garnisonschule, Domschule für den Adel u. auf dessen Kosten unterhalten, mehre Schulen u. Bibliotheken, ist Sitz der Esthländischen literarischen Gesellschaft, einer Landwirthschaftlichen u. einer Bibelgesellschaft, so wie des Vereins von Freunden der vaterländischen Geschichte (s.u. Alterthumsvereine); Fabriken in Leder, Kattun, Glas, Puder, Stärke, Nähnadeln etc., Stück- u. Glockengießerei, Kupferhammer u.a., ausgebreiteten Handel mit Leim, Hanf, Korn, Leder, meist von deutschen Häusern, vom 20. Juni bis 2. Juli eine stark besuchte Messe u. guten geschützten (Kriegs- u. Handels-) Hafen, in welchem ein Theil der russischen Kriegsflotte ihre Station hat. Der Hafen ist durch mehre Forts befestigt u. hat am Eingange auf der Insel Nargen einen Leuchtthurm. Die Stadt hat 21,000 Ew. Hier Seebad u. sehr geselliges Leben. In der Nähe zahlreiche geschmackvolle Landhäuser (Datschen), das Laudhaus Löwenruh u. das kaiserliche Lustschloß Katharinenthal, Vergnügungsort der Einwohner, u. Groß- u. Kleinrog, mit finnischen Einwohnern. – R. (von den Russen Kolyvan, esthnisch Talline, lettisch Dahni Pillis, d.i. dänische Stadt genannt), wurde 1218 vom König Waldemar II. von Dänemark an der Stelle angelegt, wo vorher das Schloß Lindanisse u. ein vom König Erich II. 1095 erbautes Kloster zum St. Michael gestanden hatte; 1310 wurde R. von dem dänischen Baumeister Joh. Kanna mit Wällen umgeben, welche großen Theils jetzt noch vorhanden sind. R. kam 1347 mit Esthland an den Deutschen Orden, dann an Livland, wurde dann Hansestadt u. kam, nachdem sie noch einmal dänisch gewesen war, 1561 an Schweden. Unter schwedischer Herrschaft blühte R. durch Handel sehr auf, wie denn R. auch zur Hausa gehörte, sank aber wieder, nachdem es 28. Septbr. 1710 von den Russen durch Capitulation genommen war (s. Nordischer Krieg) u. der Handel durch das Verbot der freien Einfuhr sich nach dem in der Nähe angelegten Petersburg zog. Am 21. Juli 1855 wurde der Hafen von englischen Kanonenbooten erfolglos beschossen u. am 3. Nov. 1855 brannte das Theater ab.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 84.
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