Nettelbeck

[268] Nettelbeck (Joachim Christian), rühmlich bekannt durch seinen patriotischen Antheil an der erfolgreichen Vertheidigung seiner Vaterstadt, der 1807 von den Franzosen belagerten preuß. Festung Kolberg und seine dabei bewiesene Aufopferung und Bürgertugend, war 1737 geboren, wählte aus Neigung schon im Knabenalter das Seewesen zu seinem Berufe, von dem er bis in sein 45. Jahr wiederholt nach allen europ. Gewässern, nach Westindien und an die afrik. Küsten geführt wurde. Dabei hatte er denn der Gefahr in jeder Gestalt muthig und besonnen begegnen gelernt und in den mannichfaltigsten Lebensverhältnissen einen reichen Schatz von Erfahrungen gesammelt, aber stets die Biederkeit seines Herzens bewahrt. Sein Werth wurde daher in seiner Vaterstadt, wo er sich als Branntweinbrenner niederließ und für deren Vertheidigung gegen die Russen er schon während des siebenjährigen Krieges thätig gewesen war, bald anerkannt und N. zum Bürgerrepräsentanten und später in den Rath gewählt, allein erst die 1807 von den Franzosen unternommene Belagerung Kolbergs gab ihm Gelegenheit, in jener für Preußen traurigen Zeit ein damals seltenes und deshalb um so rühmlicheres Beispiel von Muth, Hingebung und Aufopferung an Leib und Gut für Vaterland und Ehre aufzustellen. Der 70jährige Bürger N. war es, der, im Einverständnisse mit der Bürgerschaft und mit seinem Freunde Schill, den armseligen Festungscommandanten, Obersten von Loucadou, gleichsam zwang, sich zu halten, bis auf N.'s schriftlich an den König gerichtetes Gesuch der tapfere Major und spätere Feldmarschall von Gneisenau (s.d.) Befehlshaber des Platzes wurde. Als dessen Bürgeradjutant leistete N. mit unermüdlichem Eifer fortwährend die wichtigsten Dienste, führte als Seemann unter den gefährlichsten Umständen die Hülfe bringenden Fahrzeuge von der See in den Hafen und stand als Leiter der Löschanstalten in der Stadt jederzeit und während der heftigsten Beschießung an der Spitze seiner Untergebenen. Durch ihn vorzüglich ward die Eintracht zwischen Besatzung und Bürgerschaft erhalten und letztere zur höchsten Aufopferung und zum Aushalten trotz aller Verluste und der größten Entbehrungen bewogen, bis der Friede zu Tilsit auch das aufs Äußerste gebrachte Kolberg vom Feinde befreite. N.'s Name war damals in Aller Munde; der König ertheilte ihm eine goldene Verdienstmedaille, die Erlaubniß zum Tragen der preuß. Admiralitätsuniform und als es 1817 seine Vermögensumstände wünschenswerth machten, bis zu seinem im Jan. 1824 erfolgten Ableben ein Jahrgeld von 200 Thlrn. Die Biederkeit dieses seltenen Mannes spiegelt sich auch in seiner »Selbstbiographie« (3 Bde., Lpz. 1824) wieder, aus der eine andere Beschreibung seines Lebens: »Der alte Preuße« (Hamm 1824), zum Theil entlehnt ist.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 268-269.
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