Pombal

[529] Pombal (Sebastian Joseph von Carvalho, Graf von Oeyras und Marquis von), ein berühmter portug. Staatsminister, geb. 1669, war der Sohn eines Hauptmanns, welcher in die Classe des ärmern portug. Adels gehörte, während P.'s Mutter aus sehr angesehener Famille stammte. P. besaß eine angenehme Persönlichkeit, tollkühnen Muth und seltene Geistesgaben, erhielt seine wissenschaftliche Bildung auf der Universität Coimbra, wo er die Rechtswissenschaft studirte, und nahm hierauf Kriegsdienste. Nach einiger Zeit mußte er aber wegen unbesonnener Handlungen den Abschied nehmen und selbst Lissabon verlassen. Hierauf beschäftigte er sich mit seiner Ausbildung zum Staatsmann, heirathete trotz des Widerspruchs ihrer stolzen Verwandten eine reiche Witwe von angesehener Famille und kehrte nun nach Lissabon zurück, wo er sich am Hofe so viel Achtung erwarb, daß ihm 1739 die Stelle eines portug. Gesandten in London übertragen wurde. Von da 1745 abberufen, ging er in wichtigen Angelegenheiten nach Wien, wo er nach dem Tode seiner Frau, welche ein Opfer ihrer hochmüthigen Verwandten wurde, deren Verfolgungen P. selbst nur durch seinen Muth und seine Entschlossenheit entging, sich mit einer jungen Gräfin Daun vermählte. Die Gunst der Gemahlin Königs Johann V., das Vertrauen der einflußreichen Jesuiten, denen er so ergeben schien, daß er der große Jesuit genannt wurde, der Ruf des frömmsten, bescheidensten und liebenswürdigsten Weltmannes am Hofe, vermochten aber weder den hohen Adel mit ihm zu versöhnen, noch P. früher als nach des Königs Tode (1750) eine einflußreiche Stelle bei der Regierung zu verschaffen. Sein Nachfolger Joseph I. ernannte ihn aber sogleich auf seiner Mutter Rath zum Staatssecretair der auswärtigen Angelegenheiten und gab sich bald ganz der Leitung dieses talent- und kenntnißreichsten Mannes in ganz Portugal hin, welches Johann V. in einem Zustande grenzenloser Schwäche und Verwirrung hinterlassen hatte. Kühn ergriff P., welcher den höhern Adel fortwährend gegen sich hatte, die umfassendsten Maßregeln, um Portugal wieder emporzubringen. Alle Zweige der Verwaltung wurden neu geordnet, Ackerbau, Gewerbfleiß und Handel ermuntert und selbst die Folgen des unermeßlichen Verlustes, welchen Portugal durch das Erdbeben vom 1. Nov. 1755 erlitt, welches in Lissabon allein 30,000 Menschen das Leben kostete, wußte P. zu mildern. Der König ernannte ihn hierauf zum Grafen von Oeyras und 1756 zum ersten Minister, was den Haß seiner Gegner aber nur steigerte, so sehr P.'s Verdienste um Portugal in die Augen fielen. Allein um so entschlossener trat dieser ihnen nun entgegen und als die Jesuiten auch das abergläubige Volk gegen seine aufgeklärten Maßregeln aufzuregen anfingen, entfernte er sie ganz aus der Umgebung des Königs. Eine Verschwörung des Adels gegen den letztern, bei der die Jesuiten stark betheiligt waren, hatte die Hinrichtung mehrer von P.'s vornehmsten und der Theilnahme überwiesenen Gegnern, sowie die gänzliche Vertreibung der Jesuiten aus Portugal zur Folge, und als darüber Misverständnisse mit dem päpstlichen Stuhle entstanden, trat P. ebenso entschlossen den Ansprüchen desselben entgegen. Die Verbesserung des Volksunterrichts war ein Gegenstand seiner besondern Sorgfalt, und als Mishelligkeiten mit Spanien zu einem kurzen Kriege mit dieser Macht führten, ward dieser Veranlassung, dem portug. Heere durch den von P. an die Spitze desselben berufenen deutschen Grafen von Lippe-Schaumburg eine neue Organisation zu geben und die Grenze in bessern Vertheidigungsstand zu setzen. Allerdings verfuhr P. mitunter zu gewaltthätig, allein in vielen Fällen rechtfertigte ihn die verzweiflungsvolle Loge, in welcher sich Portugal vorher befand, das bei König Joseph I. Tode (1777) in wohlgeordnetem Zustande war und einen gefüllten Schatz besaß. Dessenungeachtet mußte P., da Joseph I. zur Regierung kommende Tochter seine Gegnerin war, seine Entlassung nehmen und alle seine wohlthätigen Einrichtungen aufheben sehen, ja bis zu seinem Ende mit seinen alle erdenklichen Beschuldigungen gegen ihn erhebenden Feinden gleichsam um einen ehrlichen Tod ringen. Sein Andenken wurde 1833 dadurch geehrt, daß Dom Pedro P.'s Bildniß in Bronze am Fußgestell der Reiterstatue Joseph I. wieder anbringen ließ.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 529.
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