Rhapsoden

[687] Rhapsōden hießen bei den alten Griechen gewisse herumziehende Künstler, welche in Versammlungen, bei Festen und andern feierlichen Gelegenheiten fremde Gedichte und besonders Abschnitte aus den Dichtungen Homer's vortrugen, wovon sie auch Homeriden genannt worden sind. Sie hielten dabei einen Stab oder Lorberzweig als künstlerisches Attribut in der Hand, wovon sich auch die Benennung Rhapsoden herschreiben soll, ein von ihnen gehaltener Vortrag aber hieß eine Rhapsodie. Jetzt versteht man unter Rhapsodien eine Sammlung von Ansichten, Betrachtungen, Dichtungen und dergl., welche zwar einen Gegenstand betreffen oder dem Gebiet einer Wissenschaft angehören können, aber abgerissen und ohne nothwendigen Zusammenhang untereinander [687] dastehen. Rhapsodisch bedeutet daher ohne Zusammenhang, in abgebrochenen Sätzen und so viel wie fragmentarisch oder in Bruchstücken. – Rhapsodomantie ist der schon bei den Alten heimische Aberglaube, aus dem Inhalte eines zufällig bezeichneten Verses aus einem Gedicht, bei den Griechen meist aus denen Homer's und bei den Römern aus Virgil, über eine dabei in Gedanken behaltene Sache wahrzusagen. Später trat an deren Stelle das Aufschlagen einer Seite in der Bibel, wo dann der erste Vers als Orakel galt, und noch jetzt hat sich dieser Aberglaube nicht verloren.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 687-688.
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