Bibel

[244] Bibel, d.h. Buch, wird nach dem Griechischen und seit dem im 5. Jahrh. zuerst vom h. Chrysostomus gegebenen Beispiele, die Sammlung der den Bekennern der christlichen Religion heiligen Schriften genannt. Sie zerfallen zunächst in zwei Haupttheile, von denen der größere, das Alte Testament, von Christus schon als ein heiliges Buch des jüd. Volkes vorgefunden wurde und in seinen hauptsächlichsten Lehren Bestätigung, sowie mannichfache Erläuterung erhielt; der kleinere aber, das Neue Testament, sich bis gegen Ende des 2. Jahrh. bildete. Die ursprüngliche Bedeutung des Namens A. T. ist eigentlich alter Bund, indem die Juden ihre Religion als einen von Abraham und Moses vermittelten Bund mit Gott betrachten, sowie altes Gesetz, alte Religionsverfassung. Da nun Christus sich selbst bei Einsetzung des heiligen Abendmahls der Worte bediente: »Das ist mein Blut des neuen Testaments«, so wurde dieser Name auch für die neue Sammlung der christlichen Religionsbücher den ältern gegenüber in den meisten abendländ. Sprachen beibehalten, während im Russischen und in andern slawischen Sprachen altes und neues Gesetz dafür gebräuchlich ist. Das A. T., welches auch mit dem Namen Pentateuch, den eigentlich nur die fünf Bücher Mosis führen, ferner das Gesetz und das Gesetz und die Propheten bezeichnet wird, enthält: 1) historische Bücher, welche an eine allgemeine Geschichte der Menschheit nach jüdischen Sagen und Urkunden die Geschichte des jüd. Volkes bis ins 5. Jahrh. knüpfen; 2) prophetische Bücher aus dem Zeitraume vom 9. bis 5. Jahrh. v. Chr., welche in durchaus poetischer Sprache Ermahnungen, Verkündigungen und Visionen der Propheten enthalten, und 3) poetische Bücher, die moralische und religiöse Gegenstände behandeln. In diesen Büchern sahen die Juden die heiligen Urkunden ihrer Religion, daher sie auch die kanonischen heißen, d.h. solche, welche in das Verzeichniß oder den Kanon der heiligen, meist zum Vorlesen im Tempel bestimmten Schriften eingetragen sind und deren Ursprung göttlicher Eingebung zugeschrieben wird, welche Eigenschaft auch von den Christen anerkannt worden ist. Fast alle sind ursprünglich in hebr. und nur der Prophet Daniel und das Buch Esra theilweise in chaldäischer Sprache verfaßt. Als sich nun die griech. Sprache vorzüglich seit Alexander dem Großen im Morgenlande so sehr verbreitete, daß auch viele Juden des Hebräischen nicht mehr kundig waren, wurde für sie eine griech. Übersetzung des hebr. Textes Bedürfniß. Eine solche kam im 2. Jahrh. v. Chr. angeblich auf Befehl des Königs Ptolemäus Philadelphus durch 72 gelehrte Juden zu Stande, die man aber gewöhnlich die 70 Dolmetscher und ihre Übersetzung die Septuaginta nennt, was 70 bedeutet. Auch heißt sie die alexandrinische, weil Alexandria als ihr Entstehungsort angegeben wird, wo die Übersetzer abgesondert daran gearbeitet, zuletzt aber durch göttliche Eingebung dennoch wörtlich übereingestimmt haben sollen. Einen Anhang dieser Übersetzung bildeten die sogenannten Apokrypha, d.h. Schriften, welche der heiligen Schrift nicht gleichgehalten und unbekannten Ursprungs sind. Sie machen den übrigen Inhalt des A. T. aus und sind ursprünglich in griech. Sprache geschrieben. Ihre Entstehung fällt in die drei letzten Jahrh. vor und in das 1. Jahrh. n. Chr. Geb.

Das N. T. umfaßt nur kanonische Bücher und hat bereits im 5. Jahrh. n. Chr. als Sammlung seine jetzige Gestalt angenommen. Es enthält an historischen Schriften die vier Evangelien und die Apostelgeschichte, ferner die Briefe des Paulus, dann die sogenannten katholischen Briefe, wie man alle diejenigen Briefe nannte, die nicht von Paulus herrühren und endlich das prophetische Buch, die Apokalypse oder die Offenbarung Johannis, dessen dunkler Sinn aber ungeachtet der vielfältig versuchten Erklärung uns noch vorenthalten blieb. Alle diese Schriften sind, wie die Apokrypha, in griech. Sprache verfaßt, die jedoch von den Juden nicht rein gesprochen, sondern häufig nach dem Hebräischen gemodelt und verdorben wurde. Obgleich die sprachwissenschaftlichen Beweise für diesen Umstand nicht zweifelhaft sind, so wollten doch Viele es durchaus nicht zugestehen, daß das N. T. nicht in reinem Griechisch geschrieben [244] sei, da sie es für eine Herabwürdigung desselben hielten, die neutestamentliche Sprache in irgend einer Hinsicht nicht fehlerfrei zu finden. Die Vertheidiger dieser Ansicht hießen Puristen, während ihre Gegner Hebräisten genannt wurden und die Sieger geblieben sind.

Kein Buch in der Welt ist so häufig durch Abschriften und später durch die Buchdruckerkunst vervielfältigt, keines mit solchem anhaltenden Eifer erläutert und in so viele Sprachen übersetzt worden, wie die Bibel. Auch eine deutsche Übersetzung derselben war schon im 4. Jahrh. durch den gothischen Bischof Ulfilas (s.d.) besorgt worden, von der wir aber nur Bruchstücke besitzen. Bis ins 14. Jahrh. scheint jedoch eine neue Verdeutschung der ganzen Bibel nicht entstanden zu sein, indem die Ansichten der röm. Kirche dawider waren. Nur die seit dem 8. Jahrh. aus der vom h. Hieronymus (s.d.) besorgten und aus einer ältern lat. Übersetzung entstandene Vulgata erhielt die kirchliche Anerkennung und zugleich ihren lat. Namen, welcher ihre Bestimmung zum allgemeinen Gebrauche andeutet. Nach Erfindung der Buchdruckerkunst kamen jedoch seit 1462 mehre deutsche Bibelübersetzungen in Umlauf, bis endlich die berühmteste von allen durch Martin Luther von 1521–34 zu Stande kam. An Kraft, Einfachheit und Würde des Ausdrucks ist sie noch immer unübertroffen, und ist man auch in neuern Zeiten tiefer in den Sinn der biblischen Schriften eingedrungen, als es zu Luther's Zeit möglich war, so schmälert dies doch in keiner Beziehung den Ruhm seiner Uebersetzung, welche auch die Grundlage der meisten, für nichtdeutsche Länder bestimmten geworden ist, die sich der Reformation zuwendeten. Luthern allein gebührt das Verdienst, die Bibel wieder zum Eigenthume des Volkes gemacht zu haben, denn keine der vor ihm erschienenen deutschen Übersetzungen fand allgemeine Verbreitung. Nach der Reformation vervielfältigten sich auch fortwährend die Ausgaben der Bibel in den Originalsprachen, besonders aber die Übersetzungen, und es gibt jetzt keine Sprache, die eine Literatur besitzt, welche nicht ihre Bibelübersetzung hätte und in vielen minder ausgebildeten sind wenigstens Theile derselben das einzig darin vorhandene Buch. Für diese Art der Verbreitung sorgen besonders die Missionsanstalten und die Bibelgesellschaften (s.d.) im In- und Auslande, während Schriften, wie z.B. Dinter's »Schullehrerbibel« (N. T.; 4 Bde., 3. Aufl. 1828–29; A. T., 5 Bde., 1826–28) und Engel's »Geist der Bibel für Schule und Haus« (9. Aufl., 1832) durch Erläuterungen das allgemeine Verständniß der heiligen Schrift zu vermitteln suchen, zu welchem eine umfassende Kenntniß von Sprache, Geschichte, sittlichem und politischem Zustande der Zeit, in welcher die Verfasser derselben schrieben, nothwendig ist. Der hohe Werth der Bibel wird selbst von Denen anerkannt, welche nur ein Mittel zur geistigen Entwickelung des Menschengeschlechts darin sehen. Auch sie erkennen darin das Buch der Bücher an und gestehen ihr die hohe Verehrung zu, welche sie außerdem als Urkunde der wahren geoffenbarten Religion genießt, die nur durch sie lauter und rein auf die Nachwelt vererbt wurde.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 244-245.
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