Martin

[70] Martin (der Heilige), geb. um 316 zu Sabaria in Pannonien, jetzt Stein am Anger in Niederungarn, war der Sohn heidnischer Ältern, verlebte einen Theil seiner Jugend zu Pavia und soll sich früh dem Christenthume zugeneigt haben. Von seinem Vater, der röm. Kriegstribun war, im 16. Jahre zum Kriegsdienst genöthigt, war er auch in diesem ihm widerwärtigen Verhältnisse ein Muster von Tugend und als ihm eines Tages vor dem Thore von Amiens ein Armer begegnete, der seine Blöße nicht bedecken konnte, theilte er mit dem Schwerte seinen Mantel und gab jenem die Hälfte, wie er denn auch gewöhnlich abgebildet wird, indem er zu Pferde diese milde Handlung verrichtet. Darauf soll ihm in der folgenden Nacht Christus in dem verschenkten halben Mantel erschienen sein, was M. bewog, sich 337 taufen zu lassen und den Kriegsdienst aufzugeben. Nachdem er einige Zeit in der Einsamkeit verbracht, begab er sich zum h. Hilarius nach Poitiers und von da auf einem im Traume erhaltenen Befehl zu seinen Ältern, um sie zu bekehren, was aber blos mit seiner Mutter gelang. Wegen seines Widerstrebens gegen die Arianer (s.d.) aus Ungarn verwiesen, kehrte er nach vielfach erduldeter Verfolgung in die Nähe von Poitiers zurück, wo viele Fromme sich ihm anschlossen und viele Wunder von ihm geschehen sein sollen. Gegen seinen Willen ward er 375 zum Bischof von Tours gewählt, als welcher er nach einem höchst erbaulichem Leben am 11. Nov. 402 starb und von 2000 Mönchen zu Grabe begleitet wurde. Seine öffentliche Verehrung ordnete Papst Martin im I. 650 an und seitdem ist der 11. Nov. seinem Andenken gewidmet, der als Martinifest von jeher mit feierlichen Schmausereien begangen wurde; dabei ging es denn nicht immer mäßig zu und man nannte sprüchwörtlich Den einen Martinsmann, der sein Hab und Gut verschlemmt und verpraßt hatte. Da um diese Zeit die Gänse besonders fett und schmackhaft sind, so durfte und darf noch bei einem Martinsschmaus der Gänsebraten nicht fehlen, auch wurden zu demselben der Geistlichkeit die Pflichthühner und Gänse, daher Martinsgänse, dargebracht und spottweise hieß davon das Einlauten des Festes am Martinsabend das Ganslauten. Auch wird erzählt, M. habe sich, als man ihn zum Bischof wählen wollte, versteckt, sei aber durch das Geschnatter ihm naher Gänse verrathen worden, weshalb er sie ferner nicht mehr habe leiden können; mit einer Gans dargestellt ist er aber nur auf einigen seltenen Denkmünzen. Der h. Bonifacius machte ihn zum Patron des Erzstifts Mainz, der Patron der Trinker aber ist er durch den röm. Kaiser Maximinus geworden, der ihn bei einem Gastmahle einst zu seiner Rechten sitzen und ihm den Becher zuerst soll haben reichen lassen. In manchen Ländern pflegte der Martinsmann auch den Kindern zu bescheren, das unter dem Namen Martinshörner bekannte Backwerk aber wird für eine Nachahmung des Heiligenscheins gehalten, welcher auf sehr alten Bildern halbmondförmigen Hörnern gleicht; auch soll nach einer Sage M. dem bekehrten schwed. König Olaf im Traume geheißen haben, anstatt den Götzen jetzt ihm zu Ehren zu trinken, was damals aus Hörnern geschah, deren Andenken durch jenes Backwerk sich erhalten habe.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 70.
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