Selbsthülfe

[161] Selbsthülfe nennt man die Anwendung eigner Gewalt, um sich Recht zu verschaffen. In einem jeden gesitteten Staate ist vermöge eines stillschweigenden Vertrags dem Staatsoberhaupte von den Unterthanen der Schutz ihrer Rechte anvertraut worden. Sie sind zu ihrem eignen Besten, zur Sicherheit ihres Lebens und ihres Eigenthums dahin übereingekommen, nach den Gesetzen desselben ihre Handlungsweise einzurichten, gestörte Rechte zu verfolgen Und den richterlichen Aussprüchen sich zu unterwerfen. Sie haben auf das Recht der Selbsthülfe verzichtet und die Herrschaft der Gesetze anerkannt. Diese haben auch als Grundpfeiler ihrer Wirksamkeit alsbald ein Verbot der Selbsthülfe ausdrücklich ausgesprochen. In Deutschland, wo Selbsthülfe lange Zeit für ein erlaubtes Mittel der Rechtsverfolgung galt, trat zuerst der Kaiser Maximilian I. durch die Errichtung des ewigen Landfriedens und die Reichskammergerichtsordnung (1495) entschieden dagegen auf, die spätern Reichsgesetze schärften das Verbot der Selbsthülfe wiederholt ein, und auch die deutsche Bundesacte macht den Mitgliedern des Bundes ausdrücklich zur Pflicht, die unter ihnen vorfallenden Streitigkeiten nicht mit Gewalt der Waffen auszumachen, sondern bei der Bundesversammlung anzubringen, und hat zur Entscheidung desselben ein Austrägalversahren angeordnet. Ebenso ist auch in den Landesgesetzen die Selbsthülfe verboten. Nach gemeinem Rechte wird sie, wenn der Anspruch Dessen, der sich selbst Recht verschafft, begründet war, mit dem Verlust desselben, war er ungegründet, mit dem Ersatz des Doppelten bestraft. In Sachsen, Preußen und Östreich tritt eine angemessene Vermögens- und Freiheitsstrafe ein. Es gibt auch Fälle erlaubter Selbsthülfe, dahin gehört die Nothwehr und die Pfändung (s.d.).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 161.
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