Unfruchtbarkeit

[517] Unfruchtbarkeit oder Unvermögen zur Zeugung wird es genannt, wenn einem Individuum das Vermögen abgeht, sich fortzupflanzen, beim Menschen also, Kinder zu zeugen. Sie darf nicht mit dem kurzweg sogenannten Unvermögen, der Impotenz oder Unfähigkeit zur Begattung, verwechselt werden, die zwar stets die Unfruchtbarkeit in sich schließt, nicht aber umgekehrt, denn Befähigung zum Beischlafe kann von Unfruchtbarkeit begleitet sein. Man beobachtet die Unfruchtbarkeit bei beiden Geschlechtern, am weiblichen jedoch viel häufiger, obschon sie demselben oft mit Unrecht zur Last gelegt werden mag. Die Ursachen der Unfruchtbarkeit sind, zumal bei vorhandener Fähigkeit zur Begattung, immer schwer, meist nur mit Wahrscheinlichkeit, mitunter gar nicht zu ermitteln. Fehlt es aber an jener Befähigung, so sind die Ursachen davon auch die der Unfruchtbarkeit; z.B. phlegmatisches Temperament, überhaupt Kälte gegen das andere Geschlecht, Haß und Abneigung, Ekel, allgemeine Körperschwäche und Entnervung, aber auch nur Schwäche der Geschlechtstheile bei übrigens ziemlich guter Körperbeschaffenheit, übermäßige Anstrengung und Erschöpfung des Körpers und Geistes, Bildungsfehler der Geschlechtstheile, Brüche von sehr großem Umfange, besonders beim männlichen Geschlecht, und beim weiblichen vorzugsweise noch eine übertriebene krankhafte Empfindlichkeit des Nervensystems. Das Unvermögen zur Empfängniß beim weiblichen Geschlecht ist ebenfalls immer mit der Unfähigkeit zum Beischlafe verbunden, kommt aber noch häufiger mit vollkommener Befähigung zur Begattung vor und die Ursachen sind gleichfalls allgemeine und örtliche. Sie sind bei beiden Geschlechtern entweder vorübergehend und heilbar oder bleibend und unheilbar, wie alle ursprüngliche oder durch Krankheiten herbeigeführte Bildungsfehler der innern Geschlechtstheile bei Weibern, zumal dieselben während des Lebens sehr schwer oder auch wol gar nicht auszumitteln sind. Manchmal kann die Unfruchtbarkeit weder dem Manne noch der Frau geradezu Schuld gegeben werden, und nur der Umstand, daß sie weder in psychischer noch körperlicher Beziehung füreinander passen, die Verschiedenheit des Temperaments, Mangel an Zuneigung, Ekel, Unmäßigkeit im Genusse der ehelichen Freuden machen sie unfruchtbar, wie dies die Fälle beweisen, in denen nach Ehescheidungen wegen Kinderlosigkeit und später erfolgter Wiederverheirathung der beiden Eheleute der Mann mit einer andern Frau und die Frau mit einem andern Manne Kinder zeugen. Es ist deshalb sehr schwierig, zu entscheiden, wer die Schuld der Unfruchtbarkeit trage. Die Zeugungsfähigkeit kann beiden Geschlechtern auch künstlich durch die Castration (s.d.) genommen werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 517.
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