Castration

[389] Castration oder Verschneidung, Entmannung wird das Verfahren genannt, mittels dessen durch Wegnahme der Hoden beim männlichen und der Eierstöcke beim weiblichen Geschlecht, lebenden Wesen die Fähigkeit, sich fortzupflanzen, geraubt wird. Krankheiten jener Theile können es nöthig machen, den menschlichen Körper einer solchen Verstümmelung zu unterwerfen, was aber in den ältesten Zeiten in Griechenland und Asien, sowie bis auf die neueste Zeit im Morgenlande und in Italien auch zu besondern Zwecken geschah. Schon bei den alten Griechen wurden mitunter castrirte Frauen zu Aufseherinnen über ihre Frauen und Töchter gebraucht, wie das bei den Türken noch mit castrirten Männern geschieht, welchen die Bewachung des Harems anvertraut wird, und die von den Griechen Eunuchen, d.h. Bettbewahrer, genannt wurden. Bei den [389] Römern war anfänglich die Castration nur als Strafe Dessen bekannt, der dem Weibe eines Andern Gewalt angethan hatte, in späteren Zeiten aber und namentlich nach Verbreitung des Christenthums trieben Religionsschwärmer, die etwas Verdienstliches dadurch zu thun glaubten, solchen Misbrauch damit, daß die Kaiser Konstantin und Justinian jede solche Verstümmelung mit Todesstrafe bedrohen mußten, um dem wahnsinnigen Beginnen Einhalt zu thun. In neuern Zeiten wurden vorzüglich in Italien Knaben auf diese Weise verstümmelt, um Sopransänger in ihnen zu erhalten, womit daher auch der Ausdruck Castrat, deutsch Hämmling, gleichbedeutend war, und obgleich Papst Clemens XIV. strenge Verbote dagegen erließ, erhielt sich diese Unsitte doch und in manchen Orten sah man noch lange Aushängeschilde, auf denen sich Leute zu wohlfeiler Vollziehung der Operation empfahlen. Durch den Einfluß derselben erhält der ihr im Jugendalter unterworfene männliche Körper eine weibische Natur, der Bart bleibt zurück, die Stimme wird die eines Weibes, der ganze Charakter erschlafft und wird unfähig zu Handlungen, welche Mannesmuth und Kraft verlangen. Im männlichen Alter ist sie zwar auch nicht ohne Einfluß auf den Charakter, äußert aber auf den Körper keine Wirkung mehr. Anders ist es mit den Frauen, welche durch die Castration ein männliches Ansehen erhalten, den Busen verlieren, dagegen einen Bart und tiefe Stimmen bekommen. – Bei Thieren, wo man anstatt Castriren allgemein Verschneiden sagt, wird diese Operation theils zur Mäßigung ihrer natürlichen Wildheit, wie bei Pferden, theils um dadurch ein zarteres und fetteres Fleisch zu erhalten, wie bei den Hühnern, angewendet und bei jenen meist Wallachen, bei diesen Kapaunen genannt. Im gemeinen Leben wird übrigens Castriren auch wie Verstümmeln gebraucht und man spricht z.B. von einem durch die Censur castrirten Buche.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 389-390.
Lizenz:
Faksimiles:
389 | 390
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika