Clemens

[438] Clemens XIV., geb. 1705 zu St.-Arcangelo bei Rimini im Kirchenstaate, einer der berühmtesten Päpste neuerer Zeit, ausgezeichnet durch gründliche Gelehrsamkeit, trefflichen Charakter, aufgeklärte Staatsklugheit und Thätigkeit, war der Sohn eines Arztes und hieß ursprünglich Giovanni Vincenzo Antonio Ganganelli. Mit dem 18. Jahre in den Minoritenorden getreten, erwarb er sich in Theologie und Philosophie bald so umfassende Kenntnisse, daß er sich als Lehrer die Achtung und Zuneigung seiner Schüler erwerben konnte, und eines Tages von Papst Benedict XIV., indem ihm derselbe die Hand aufs Haupt legte, mit den an den General seines Ordens gerichteten Worten ausgezeichnet ward: »Nehmt diesen Bruder wohl in Acht, [438] ich empfehle ihn euch angelegentlich.« C. wurde auch von demselben Papst, der seiner Gelehrsamkeit und seiner damit verbundenen Bescheidenheit volle Anerkennung zollte, das wichtige Amt eines Rathgebers des h. Stuhles, und von seinem Nachfolger Clemens XIII. die Cardinalswürde ertheilt. Ungeachtet seiner Talente und Tugenden war jedoch in Rom selbst wenig Aussicht vorhanden, C. dereinst auf dem h. Stuhle zu sehen, da seine, bei Gelegenheit der damaligen über die verweigerte Aufhebung der Jesuiten zwischen den röm. und allen katholischen Höfen bestehenden Spannung, wiederholt geäußerte Meinung: wolle man den röm. Hof nicht von seiner Höhe herabsinken sehen, müsse man sich mit den Fürsten versöhnen, für deren Macht die Pyrenäen und Alpen kein Hinderniß wären, dort sehr misfiel. Um so mächtigere Freunde erwarb er sich aber dadurch auswärts und er wurde auch in der That nach Clemens XIII. Tode und nach einem dreimonatlichen stürmischen Conclave, vorzüglich durch franz. Einfluß am 19. Mai 1769 zum Oberhaupt der röm. Kirche ernannt. Ungeachtet der von ihm gehegten günstigen Meinung, und obgleich er sofort die von seinem Vorgänger zunächst wider den Hof von Parma gerichteten, allein allen Regenten höchst anstößige Bulle In coena domini unterdrückte, gelang es ihm doch nur mittels der umsichtigsten Klugheit, die Aussöhnung mit den großen katholischen Höfen zu bewirken, zumal er anfänglich auf die verlangte Aufhebung des Jesuitenordens erwiederte, er dürfe als Vater der Gläubigen und insbesondere der Geistlichen einen berühmten Orden nicht ohne Gründe aufheben, die ihn vor Gott und Nachwelt rechtfertigten. Die Jesuiten selbst waren über seine Absichten ungewiß, da sie für ihre Missionen in Amerika neue Privilegien von ihm erhielten, obgleich er ihre Klöster an mehren Orten strengen Untersuchungen unterwarf. Endlich aber, nachdem er im Geheim seine Maßregeln getroffen, erfolgte dennoch durch seine berühmte Bulle Dominus ac redemtor noster am 21. Jul. 1773 die Aufhebung jenes Ordens. Von da an führte C. aber ein von Besorgnissen vor der Rache der Jesuiten geängstetes Leben, hielt sich auch für vergiftet und nahm deshalb Gegengift, starb aber nach allmäliger Abnahme der Kräfte, laut der Versicherung der Ärzte, am 22. Sept. 1774 an alten skorbutischen Übeln. Auch die Künste und Wissenschaften verloren an ihm einen thätigen Beförderer, und das im Vatican von ihm gestiftete Clementinische Museum sichert in dieser Hinsicht sein Andenken. Nur auf Gerüchten beruht die hin und wieder vorkommende Behauptung, daß Ganganelli eigentlich Joh. Gottfr. Lange geheißen habe, in Lauban 1702 geboren, Buchdrucker geworden und als solcher zuletzt in Breslau beschäftigt gewesen, von dort aber auf Reisen gegangen sei, ohne daß unter diesem Namen wieder etwas von ihm verlautet habe.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 438-439.
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