Castilien

[389] Castilien (Alt- und Neu-), zwei früher selbständige Provinzen des Königreichs Spanien, dessen Mittelpunkt Neu castilien ausmacht, welches auf 1452 ! M. 1,600,000 Einw. zählt und in die fünf Provinzen Madrid, Toledo, Guadalaxara, Cuença und la Mancha eingetheilt wird. Das Land bildet die größte und höchste Ebene von ganz Spanien, die südl. von der Sierra Morena begrenzt, nördl. durch das castil. Scheidegebirge von Neu-Castilien getrennt wird und bei ihrem Mangel an Bewässerung während der oft mehre Monate anhaltenden Dürre im Sommer einen traurigen Anblick gewährt, daher auch schlecht angebaut ist. Wie die Hitze und der erstickende Staub im Sommer, sind zuweilen auch die Kälte und die rauhen Winde im Winter äußerst lästig, da man von Öfen und Kaminen in ganz Spanien nichts weiß und überdies diese Gegend eine der holzärmsten in Europa ist. Die Bewohner reden das reinste Spanisch und sind von zuverlässigem, edelm und ernstem, aber wenig betriebsamem Charakter. Hauptflüsse sind der Tajo und die Guadiana, und außer der Hauptstadt Madrid (s.d.) sind zu merken: Toledo am Tajo und in einem engen Thale gelegen mit 25,000 Einw., engen und krummen Gassen, aber als die größte span. Stadt im Mittelalter, mit vielen alten und merkwürdigen Gebäuden und der reichsten Kathedrale, die ursprünglich eine maurische Moschee war, in der viele span. Könige begraben liegen, und deren Erzbischof der erste in Spanien ist; Alcala de Henares, die ehemals berühmteste span. Universität; Aranjuez (s.d.); Talavera de la Reyna am Tajo mit 8000 Einw., einer Artillerieschule und merkwürdig durch den am 27.–28. Jul. 1809 von Wellington über die Franzosen erfochtenen Sieg; Ocaña mit 12,000 Einw. und Mineralbädern; Guadalaxara am Henares mit 14,000 Einw. und vielen Tuchfabriken; Cuença auf einem hohen Felsen am Xucar und Huescar, mit 6000 Einw. und einer 300 F. langen, 160 F. hohen, nur auf drei Pfeilern ruhenden Brücke, und Almaden mit 10,000 Einw. und reichen Quecksilberbergwerken. – Alt-Castilien erstreckt sich nördl. von Neu-Castilien bis ans Meer, hat auf 837 ! M. 1,250,000 Einw., ist sehr gebirgig, daher nur die Thäler sich zum Ackerbau eignen. Die Einwohner, noch weniger betriebsam als die Neu-Castilier, sind bei vieler Redlichkeit des Charakters ernst und verschlossen, und die sprüchwörtlich gewordene spanische Förmlichkeit und Grandezza sind hier vorzüglich heimisch. Alt-Castilien wird in die vier Provinzen Burgos, Soria, Segovia und Avila eingetheilt; Hauptflüsse sind der Duero und Ebro, und die bedeutendsten Orte: Burgos am Arlanzon mit 11,000 Einw. und einer berühmten gothischen Domkirche, auch merkwürdig als Geburtsort des Cid (s.d.); Logroño am Ebro mit 12,000 Einw.; Santander am Meerbusen von Biscaya mit einem von vier Forts beschützten Hafen und 10,000 Einw.; Calahorra mit 7000 Einw., in dessen Nachbarschaft sich die sechs M. große und sehr fruchtbare Ebene Rioja befindet; Segovia auf einem hohen Felsen gelegen mit 10,000 Einw., einem Palaste der alten gothischen Könige und einer über einen Theil der Stadt hingehenden alten röm. Wasserleitung mit 168 Bogen; San-Ildefonso, ein Sommeraufenthalt des span. Hofes, mit 5000 Einw. und wichtigen Spiegelglasfabriken; Escorial (s.d.), und Avila, der Sitz eines Bischofs, mit 12,000 Einw. Alt-Castilien entstand 933 als selbständiger Staat aus der Grafschaft Burgos, die sich der Lehnspflicht gegen das Königreich Leon entzog, und wurde nach manchen Erwerbungen angrenzender Gebiete 1028 zum Königreich erhoben. Durch Eroberung kam 1085 das maur. Königreich Toledo unter dem Namen von Neu-Castilien dazu, und die 1469 erfolgte Vermählung der Thronerbin Isabella mit Ferdinand dem Katholischen, Kronprinzen von Aragonien, führte 1479 zur Vereinigung beider Länder zum Königreiche Spanien (s.d.).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 389.
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