Aeschylos

[86] Aeschylos. Die altgriechische Epopö war mit Homer und einigen schwachen Nachklängen verschollen; Pindar's Siegeshymnus und die herrlichen Akkorde der übrigen Lyriker, z. B. der Sappho, verstummten: da trat Aeschylos (geb. 525. v. Ch.) in Athen auf, und verschmolz Beides, die Begebenheiten der Sage und Geschichte und die zu Ehren der Götter gesungenen Chöre zu einer vor die unmittelbare Anschauung der Griechen gebrachten, gegenwärtigen Handlung. So wurde der immer kühne Mann, der sich erst kurz vorher in den furchtbaren Kämpfen der Griechen mit den Persern Ruhm erfochten hatte, auch durch seine geistige Energie der Sieger über die bisher nur rohen Versuche des Thespis im Schauspiel, der mit einem Karren, das Theater vorstellend, das Land durchzogen hatte, und somit der Schöpfer des eigentlichen Drama's und der Gründer einer stehenden attischen Bühne. So führte er seinem Volke die Götter-, Titanen- und Heldenwelt seiner Vorzeit vor die Augen, um es zu eignen Großthaten, so nöthig bei seinen innern und äußern Kämpfen, anzufeuern. Sein dichterischer Charakter, den er in 90 Stücken, wovon nur noch 7 bis auf unsere Zeiten herabgekommen sind, niedergelegt hat, ist, wie der seiner Götter, Titanen und Heroen, rauhe Großheit und ungebändigte Leidenschaftlichkeit. Sein hoher, schwungvoller [86] Geist, der gleichsam mit ehernem Gewichte und in riesenhaften Gestaltungen auf dem Kothurn der Tragödie über die griechische Bühne schritt, ist kühn, stark, rauh, erhaben, feierlich. In seinem ernsten Genius streift das Erhabene oft an das Furchtbare, das Schreckliche an das Gräßliche, das Mitleid wird herzzerreißend, doch überschreitet er nie das Schickliche. Seine Charaktere entwirft er mit wenigen kühnen und starken Zügen, und stellt am liebsten Götter dar. Seine Plane sind äußerst einfach und die Chorgesänge deßhalb noch zu oft gedehnt. Demnach ist auch seine Sprache riesenmäßig angeschwellt, oft hart und schroff in den Zusammensetzungen, überladen mit Beiwörtern, verschlungen in den Wortfügungen, ja sogar nicht selten dunkel. Einzig seltsam sind oft seine Bilder und Ausdrücke, worin er mit Shakespeare und Dante (S. dies.) Aehnlichkeit hat.

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Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 86-87.
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