Huber, Therese

[342] Huber, Therese, eine weniger durch Phantasie und poetische[342] Schöpferkraft, als durch klare Anschauung, scharfe Auffassungsgabe und prägnante Darstellung ausgezeichnete deutsche Schriftstellerin. Sie war die Tochter des Philosophen Heyne und wurde den 7. Mai 1764 zu Göttingen geboren. Hier wuchs das Kind im Elternhause, umgeben von Herder, Bürger, den Stolbergen, Boie, Voß, Dohm, Brandes etc. empor und bewahrte aus jener dichterischen Bewegungsperiode starke Eindrücke. Nach dem Tode ihrer Mutter übernahm der Vater den Unterricht des zwölfjährigen Mädchens; später ward Therese in ein hannöversches Institut geschickt, welches sie aber 15 Jahre alt wieder verließ, um in's väterliche Haus zurückzukehren. Des Vaters zweite Gattin wurde Theresens zärtlichste Mutter und innigste Freundin; unter ihrer Pflege erschloß sich Geist und Herz der heranblühenden Jungfrau immer reichhaltiger. Georg Forster (der Weltumsegler), der das auch äußerlich wohlgebildete Mädchen 1784 kennen lernte, warb um ihre Hand, und die junge Gattin folgte ihm nach Polen und später nach Mainz. Leider ward diese Ehe keine glückliche.. 1792 verließ Forster seine junge Gemahlin mit ihren Kindern zu Straßburg, und eilte nach Paris, um sich in das Revolutionsgetümmel zu stürzen. Als Forster 1794 starb, vertraute er seine Familie einem theuren Freunde, Huber. Dieser, in jeder Beziehung ein edler Mensch, versorgte Forster's Kinder und heirathete die junge Witwe. Aber Huber war kein reicher Mann, und so mußte Therese das zu ihrer Beschäftigung wählen, wozu sie längst schon ihre Neigung drängte. Sie übersetzte, erwarb sich nach und nach stylistische Fertigkeiten, und so erschienen, da sich die eigene Produktivkraft regte, von 1795 bis 1804 zahlreiche Erzählungen, welchen sie jedoch aus weiblicher Schüchternheit nicht ihren, sondern Huber's Namen vorsetzte. Ihr Leben wurde nun sorgenfrei; aber der Tod des Gatten und zweier geliebter Kinder verbitterten ihr jeden Lebensgenuß. Ihren Sohn ließ sie elf Jahre lang in Hofwyl erziehen und verdoppelte, um diesen Aufwand zu decken, ihre schriftstellerische[343] Thätigkeit. Nur gezwungen trat die bescheidene Frau endlich aus dem Schleier der Anonymität heraus. 1824 übernahm sie die Redaktion des Morgenblattes, und bewies, daß es einer Frau, mit Wissen und männlichem Geiste ausgerüstet, wohl gelingen könne, ein literarisches Organ der Oeffentlichkeit mit Kraft und Würde zu führen. Sie starb den 25. Juni 1829. Unter ihren zahlreichen Schriften nennen wir: Ellen Percy; die Ehelosen; Jugendmuth; Hannah; Familie Feldorf. Ihre gesammten Erzählungen erschienen nach ihrem Tode bei Brockhaus. Der strengste Kritiker ihrer Schreibemanier war Wolfgang Menzel. – Auf Unsterblichkeit kann Th. H. keinen Anspruch machen, doch wird Manches ihrer Gebilde noch eine Zeit lang zarte weibliche Gemüther erquicken.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 342-344.
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