Modenzeitungen

[254] Modenzeitungen. Seitdem die Mode eine Macht geworden ist, braucht sie, wie die Politik ihre öffentlichen Organe, die Vertreter ihrer Interessen, die Verkündiger ihrer Verordnungen. – Die Bülletins ihrer Erfindungen, Aenderungen, Verbesserungen fliegen durch die Welt. Man folgt ihnen in Petersburg und Lissabon, in Moskau und Stockholm, in Wien und New-York. Wie mächtig ist ihr Einfluß, wie ausgebreitet das Terrain ihrer Ordonanzen! Millionen von der verschiedensten Abstammung, Regierungsform, Farbe, Bildung gehorchen unbedingt dem gewaltigen Modemoniteur, der da beginnt: nous ordonnons et nous avons ordonné; und man gehorcht gern, mit Stolz, Wohlgefallen, Enthusiasmus, zur Begeisterung gesteigerter Eitelkeit. Wäre die Mode eine moralische Person, sie wäre der mächtigste Herrscher. – Sie ist ein blühendes Kind und im Augenblicke darauf schon ein welker Greis. Kind der Zeit ist die Zeit ihr Saturn, der die kaum Geborne unbarmherzig verschlingt. Die Kultur bedurfte der Zeitungen für die Politik, für die socialen und commerciellen, für die intellectuellen und gelehrten Interessen; dieselbe Kultur, deren exotische Blüthe als Luxus hervorschoß, bedurfte derselben auch für die Mode. Wie die Mode, war natürlich auch die erste Modezeitung französisch. Das erste deutsche Journal dieser Art war die »Mode- und Galanteriezeitung,« Erfurt 1758; es fand aber noch keinen Fortgang. Glücklicher war Bertuch, mit seinem »Journale des Luxus und der Moden;« es erschien 1786–1827 in Weimar; in den letzteren Jahren redigirte es der Novellist St. Schütze.[254] Weimar, das Ilmathen, der Prototyp in der Poesie, ward es uns auch in der Mode, obgleich es in letzterer Beziehung an fremden Brüsten sog. In Leipzig trat 1807 die allgemeine Modenzeitung in's Leben (red. von Bergk, später v. Diezmann); Schickh gründete in Wien die elegante, geschmackvolle »Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode (1816);« in Aachen gab Rousseau 1826, eine »Pariser Modenzeitung für deutsche Frauen; in Hamburg Amalie Schoppe 1828 »neue Pariser Modeblätter« heraus, die noch jetzt bestehen. Diesen folgte der »Berliner Modespiegel« von Cosmar, die leipziger »Schnellpost für Moden.« – Die »Wiener Theaterzeitung« von Bäuerle hatte sich schon einige Jahre vorher eine Moderubrik und Modebilder beigelegt, dasselbe that Lewald bei der »Europa.« Es versteht sich von selbst, daß das gewaltige, im Gebiete der Herrenmoden eigenthümliche London auch seine Modenblätter hat; gleichmäßig erscheint eine Modenzeitung in Petersburg, eine in Mailand, eine in Pesth etc. Die »Wiener Zeitschrift« (jetzt von Witthauer redigirt) liefert nur Originalkupfer, die neuesten wiener Moden. An Ausstattung übertrifft sie alle übrigen, selbst die pariser (la mode, petit courrier de Dames etc.); die Kupfer sticht Stöber nach Ender's Zeichnungen.

H.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 254-255.
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