Stift

[427] Stift, ursprünglich ein Capital oder Grundstück, dessen Zinsen zu milden Zwecken, wie zu Armenhäusern, Hospitälern etc., vermacht worden sind, dann besonders ein Vermächtniß zu kirchlichen Zwecken und die Begründung von geistlichen Collegien, deren Mitglieder, ohne an ein Klosterleben in vollster Strenge gebunden zu sein, die 3 Hauptgelübde (Keuschheit, persönliche Armuth und Gehorsam gegen die Oberen) ablegen mußten. Auf den Stiftsgütern und Kirchen ruheten zum Theil große Rechte, und die weltliche Gerichtsbarkeit, welche letztere sich bei den bischöflichen und erzbischöflichen Cathedralen nach und nach über Länder ausdehnte, woraus die Erz- und Hochstifte entstanden, während die Collegiatkirchen, denen kein Bischof vorstand, Collegiatstifte hießen. Die Verwaltung der Hochstifte lag dem Bischof und dem Capitel (der Körperschaft der Domherren und Canonici), die der Collegiatstifte dem Capitel und dem Dompropst ob. Auch in den protestantischen Ländern gibt es noch S'e und Domcapitel, jedoch ohne Landeshoheit und mehr dem allgemeinen Nutzen angepaßt. – Außer den männlichen S'n gab es auch noch weibliche S. und zwar geistlicher und weltlicher Art. Erstere bildeten eine klosterähnliche Vereinigung regulirter Chorfrauen; bei den letzteren legten die Canonissinnen oder Chorfrauen nur das Gelübde der Keuschheit ab; auch durften sie heirathen, wenn sie auf ihre Pfründe verzichteten. Die schwarzen Nonnen einiger Klöster am Rhein sollen im 9. Jahrh. die ersten gewesen sein, welche sich der strengen Regel Benedict's entzogen, und die freie Lebensart der Chorherren an den Cathedralen nachahmten, und im 12. Jahrhunderte entstanden eine Menge solcher weiblicher regulirter Corporationen, welche die den Chorfrauen 1139 gegebene Regel annahmen. Die Pfründen dieser S'e suchte der stiftsfähige Adel (der Adel, welcher 16 Ahnen zählte) ausschließlich für seine[427] Töchter zu erlangen; doch war dabei sehr oft noch die Erlegung einer Einkaufssumme nöthig. Die Canonissinnen solcher S'e werden jetzt meist Stiftsdamen und Stiftsfrauen genannt. Bis zur Periode der Secularisationen gab es in Deutschland eine große Anzahl nicht nur katholischer, sondern auch evangelischer Damenstifte dieser Art, die zum Theil fürstliche Rechte und Besitzungen hatten. In einigen derselben erhalten jetzt junge Fräulein Erziehung und Unterricht, wie z. B. im freiadeligen, evangelischen Magdalenenstift in Altenburg. Das katholische Josephinenstift in Dresden beschäftigt sich mit der Erziehung von Mädchen aus allen Ständen.

B.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 427-428.
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