Toilette

[158] Toilette. Neben dem Schlafgemache eleganter Damen befindet sich in der Regel das Ankleidezimmer, das von dem darin aufgestellten Putztische den Namen Toilettenzimmer führt. Hier erscheint die Herrin am Morgen im feinsten Percal oder Battistnegligé, und hier sinken am Abend vor der die holde Gestalt wiederstrahlenden Psyche (Ankleidespiegel) die ihre zarten Glieder behindernden Roben, um einer seidenen sich mit weichen Falten anschmiegen den Douillette oder einem zierlichen Schlafröckchen Platz zu machen. Der Schmuck wird in kostbare Behälter auf der Toilette niedergelegt, die Ringe empfängt der ebenfalls dort aufgestellte Ringhalter, die Nadeln steckt die Zofe in die duftenden Atlaskissen der Sultane, die ihrerseits Blonden und Bänder aufnimmt und die einmal getragenen Handschuhe wandern nicht wieder in das wohlparfümirte Federköfferchen, aus dem man sie vor wenig Stunden nahm. Bald taucht hierauf die Dame die erhitzten Wangen in der Toilette silbernes Lavoir und die Dienerin sorgt dafür durch Mandelteig jedes Stäubchen zu entfernen, das den seinen Teint gefährden könnte. Kosmetische Salben aus den silbernen Büchsen des Toilettenrandes kommen nun an die Reihe, und während die Frau sich damit balsamirt, um die Haut weich zu erhalten, rollt die betraute Gehilfin die wirklich am Köpfchen ihrer Gebieterin sitzenden Haare, nachdem sie die vom Friseur hinzugethane Fülle auch auf der Toilette niedergelegt. Ist dieß beendet, so trifft die Reihe das Nachthäubchen von entzückender Niedlichkeit und den weitgefalteten, reich garnirten Negligéüberrock. Die heftenden Schleifen werden geknüpft und der Schlaf kann die dazu kunstgerecht Vorbereitete in seine wohlthätigen Arme nehmen. Vergebens sucht am nächsten Morgen die schon hochstehende Sonne mit ihrem hellen Scheine durch die doppelt geschlossenen Vorhänge des Schlafzimmers zu dringen, obgleich bereits nebenan an der Toilette Alles zum Lever der Eleganten vorbereitet ist. Sie erscheint endlich und durch und durch rosenroth verschleierte[158] Fenster fällt ein sanftes Kolorit auf ihre vom Schlummer noch bleichen Wangen; denn welche Modedame dürfte blühende Farben etwas Anderm als dem seinen rouge ihrer Toilette verdanken? Wirklich verschönert sie dieses auch bald, und wo entflohene Jugend oder zu vieles Tanzen bereits ein gewisses unangenehmes Gelb über die schlaffen Züge hauchten, da muß auch mit Weiß nachgeholfen werden. Sind diese unerläßlichen Vorarbeiten der Toilette, denn so nennt man auch das Geschäft des Schmückens überhaupt, beendet, dann erhalten auch die Verehrer und Freunde Zutritt zur Morgenvisite an der Toilette. Lisette oder Aglaja ordnet während süßen Zwiegesprächs das Haar, eine Andere, wenn die Dame vielleicht von hohem Range ist, putzt die Nägel und fügt zuletzt das formende Corset mit gewaltigem Zuge des Schnürbandes zusammen. Nun folgt der Morgenrock zweiter Klasse und das dazu passende Häubchen mit flatternden Barben. Dieß zweite Negligé darf nicht weiß wie das erste sein, sondern muß aus seinem wollenen oder seidenen bunten Stoffe bestehen. Das Frühstück wird im Ersteren eingenommen, im zweiten empfängt man schon gute Freundinnen und bleibt darin bis zur Tafel, die eine sorgfältigere Toilette erfordert. Das schöne Meuble selbst endlich, zu dem vor der Gesellschaftsstunde zum dritten Male zurückgekehrt wird, besteht aus Mahagoni, trägt einen ovalen Spiegel und enthält auf seiner oberen Fläche alle mögliche, zum Verzieren und Reinigen der Büste nöthigen Geräthschaften in weißem Sammet eingesenkt. Ihre Hüllen sind von Silber oder Elfenbein, die Näpfe, Becken und Büchsen zuweilen auch von seinem Porzellan. Das Ganze bedeckt, wenn es nicht gebraucht wird, ein vom Spiegel herabfallender Spitzen- oder Blondenschleier, seltener ein seidener Vorhang.

F.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 158-159.
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