Übung

[541] Übung: Wiederholung einer Tätigkeit und damit als Folge verknüpfte Erleichterung und Verbesserung derselben, besteht in einer fortschreitenden directen Anpassung (s. d.) eines Organes, des Organismus an die Tätigkeit, Function (»functionelle Übung«) und an damit zusammenhängende, correlate Functionen (»Mitübung«). Durch Übung erfolgt eine Modification der beteiligten Organe, die schließlich dauernd und erblich werden kann (s. Evolution). Das gilt von der physiologischen wie von der psychologischen, geistigen Übung, welche letztere erleichternd, beschleunigend, verfeinernd, Bewußtseinsenergie sparend wirkt (s. Mechanisierung): Übung der Aufmerksamkeit, des Unterscheidens,[541] Analysierens, von Bewegungen (s. Fertigkeit), des abstracten Denkens, des Willens, des sittlichen Handelns u.s.w. (»Gesetz der Übung«).

CHR. WOLF bestimmt: »Actuum specie vel genere eorundem iteratio dicitur exercitium: quod adeo gradus admittit pro numero actuum partim eodem, partim diverso tempore repetitorum« (Psychol. empir. § 195). Die Übung ist notwendig zum Behalten von Vorstellungen im Gedächtnis (l. c. § 196). Die Mechanisierung der Willenshandlungen durch beständige Übung lehrt schon HARTLEY (Observat. on man). So auch MENDELSSOHN: Durch die Übung entsteht eine Fertigkeit, eine Bewußtseinsverminderung (Philos. Schrift. II, 70, 72). Das Gesetz der Übung spricht auch u. a. CABANIS aus, so auch G. W. GERLACH (Hauptmom. d. Philos. S. 70). Nach CZOLBE u. a. beruht die Übung auf einer durch allmähliche Veränderung der Nerven bewirkten »Verminderung des Widerstandes, welcher den Übergang der Spannkräfte in lebendige Kräfte verhindert« (Gr. u. Urspr. d. menschl. Erk. S. 228). Den Einfluß der Übung auf die Aufmerksamkeit, Beobachtung u.s.w. betonen viele Psychologen, so EBBINGHAUS (Grdz. d. Psychol. I, 578 f.), KREIBIG (Die Aufmerks. S. 28), KÜLPE (Gr. d. Psychol. S. 45 f., 53, 216 f. u. ff.), JODL (Lehrb. d. Psychol. S. 446), WUNDT. Jede Übung »besteht darin, daß eine zuerst willkürlich ausgeführte Handlung allmählich reflectorisch und automatisch wird« (Vorles.2, S. 242). Die Übung bewirkt eine Erleichterung der Erregung, auch in der centralen Substanz. Es gibt unmittelbare und mittelbare Übung (Mitübung) (Log. I2, 26 f.. vgl. Association, Mechanisierung, Disposition, Evolution). E. CORNELIUS lehrt: »Von verschiedenen Associationen, die sich an denselben Inhalt auf Grund seiner früheren Verbindung mit anderen Inhalten knüpfen, ist ceteris paribus diejenige die wahrscheinlichste, welche mehr eingeübt, d.h. in unserem bisherigen Leben häufiger aufgetreten ist« (Einl. in d. Philos: S. 228). – R. AVENARIUS bezeichnet die Schwankungsübung des »System C« (s. d.) als »Exercitation«, die Schwankungsgeübtheit desselben als »Exercitat« (Krit. d. rein. Erfahr. III, 30. 50). Vgl. Association, Disposition, Fertigkeit, Evolution, Mechanisierung.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 541-542.
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