Mechanisierung des Bewußtseins

[647] Mechanisierung des Bewußtseins (der Willenshandlungen) besteht in dem durch Übung (s. d.) und Gewohnheit (s. d.) erfolgenden Automatischwerden der zugleich an Bewußtheit bis zum Nullpunkte herab einbüßenden psychischen Vorgänge (der Willkür – zu Triebhandlungen, dieser zu automatischen und zu Reflexbewegungen, der Denkacte zu Associationen). Auf der Mechanisierung des Bewußtseins (durch die geistige Energie erspart wird) beruhen alle Fertigkeiten, ferner die Instincte (s. d.).

FECHNER erklärt: »Unzähliges in der Natur, ja wohl alles, was wir von festen an sich unbewußten Einrichtungen und Werken in der Natur bemerken, kann aus dem Gesichtspunkte des Residuums eines dereinst bewußten Processes zu betrachten sein, der sozusagen darin erstarrt, kristallisiert ist« (Zend-Av. I, 282; dieser Gedanke schon in der SCHELLIGschen Naturphilosophie). Nach R. HAMERLING wird der bewußte Wille später unbewußt (Atomist. d. Will. I, 268). Die Mechanisierung willkürlicher Handlungen zu unbewußten Vorgängen[647] lehren LEWES (Probl. of Life and Mind), ROMANES (»lapsing intelligence«), HÖFFDING (Psychol.2, S. 67), JODL (Lehrb. d. Psychol. S. 427 f., 432) u. a. Besonders WUNDT. Die »regressive Entwicklung des Willens«, die »Mechanisierung« desselben, besteht im wesentlichen »in der Elimination aller zwischen dem Anfangs- und Endpunkt gelegenen psychischen Mittelglieder«. »Sobald sich nämlich zusammengesetzte Willensvorgänge von übereinstimmendem Motivinhalt häufiger wiederholen, erleichtert sich der Kampf der Motive: die in den früheren Fällen unterlegenen Motive treten bei den neuen Anlassen zunächst schwächer auf und verschwinden zuletzt völlig. Die zusammengesetzte ist dann in eine einfache oder Treibhandlung übergegangen.« Setzt sich die gewohnheitsmäßige Einübung der Handlungen weiter fort, so schwächt sich auch noch das Trieb-Motiv ab, und es wird aus der Trieb- eine automatische, schließlich eine Reflexbewegung (Grundr. d. Psyehol.5, S. 229 f.). Die Ausdrucksbewegungen (s. d.) sind so zu erklären (l.c. S. 231; Grdz. d. physiol. Psychol. II4, 512 ff., 591, 594; Ess. 8, S. 217; Vorles.2, S. 422, 429, 437; Syst. d. Philos.2, S. 571 ff.). Vgl. Übung, Unbewußt.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 647-648.
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