Schwelle des Bewußtseins

[303] Schwelle des Bewußtseins, ein bildlicher Ausdruck für das Moment des Ebenmerklich-Werdens einer psychischen Erregung. Der Ausdruck stammt von HERBART. »So wie man gewohnt ist, vom Eintritt der Vorstellungen ins Bewußtsein zu reden, so nenne ich Schwelle des Bewußtseins diejenige Grenze, welche eine Vorstellung scheint zu überschreiten, indem sie aus dem völlig gehemmten Zustande zu einem Grade des wirklichen Vorstellens übergeht« (Psychol. als Wissensch. I, § 47). Eine Vorstellung ist »unter der Schwelle«, wenn sie nicht actuell zu werden vermag (ib.). »An der Schwelle des Bewußtseins« ist sie, »wenn sie aus einem Zustande völliger Hemmung soeben sich erhebt« (Lehrb. zur Psychol.3, S. 18). Das ist die »statische Sehwelle«. Die »mechanische Schwelle« bezeichnet die Wirksamkeit von Vorstellungen, die aus dem Bewußtsein verdrängt sind (l. c. 13. 19 f.). »Schwellenwert« ist der Wert einer Vorstellung, bei welchem sie gerade auf die Schwelle herabgedrückt wird (Psychol. als Wissensch. § 47 ff.) – Nach FECHNER beruht die Tatsache der »Schwelle« darauf, »daß die Empfindung nicht bei einem Nullwerte, sondern endlichen Werte des Reizes ihren Nullwert hat, von wo an sie mit steigendem Reizwerte erst merkliche Werte anzunehmen beginnt« (Elem. d. Psychophys. II, 14. vgl. I, 238). »Empfindungsschwelle« bezeichnet die Werte, welche erreicht werden müssen, damit die charakteristische Empfindung merklich wird (l. c. II, 208). Bei höherer Organisation ist die Bewußtseinsschwelle tiefer als bei niedrigerer.[303] Der Schwellenbegriff hat auch metaphysische Bedeutung (s. Bewußtsein). So auch nach E. LASSWITZ. Nach ihm ist das Gesetz der Schwelle der Ausdruck »dafür, daß wir endliche Geister sind, die dem Allgemeinbewußtsein gegenüber nur Bruchstücke erleben« (Wirkl. S. 138). WUNDT erklärt: »Der Übergang irgend eines psychischen Vorgangs in den unbewußten Zustand... wird das Sinken unter die Schwelle des Bewußtseins, das Entstehen eines Vorgangs die Erhebung über die Schwelle des Bewußtseins genannt« (Gr. d. Psychol.5, S. 249 f.). »Reizschwelle« ist »die untere Grenze, diesseits welcher die Reizbewegung zu Schwach ist, um eine merkliche Empfindung zu verursachen« (Grdz. d. phys. Psychol. I, 341). Vgl. EBBINGHAUS, Gr. d. Psychol. I, 489 ff. – Vgl. Reizschwelle, Unterschiedsschwelle, Webersches Gesetz.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 303-304.
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