Assurbanipals spätere Zeit. Kriege mit Elam

[134] Daß die Kimmerier im Osten den Bestand der assyrischen Suprematie ernstlich gefährdeten, daß die Fürsten der Tabal und Moscher ihnen erlagen wie die von Phrygien und Lydien, ist höchst wahrscheinlich. Indessen Assurbanipal berichtet davon ebenso wenig wie von den Details der Erhebung Psammetichs und der schließlichen Befreiung von ganz Ägypten. Er ist während dieser Zeit durch Kämpfe im Osten gegen Elam vollkommen in Anspruch genommen. Hier hatte Teumman sich des Thrones bemächtigt (o. S. 85). Sein Versuch, das ganze Königsgeschlecht auszurotten, mißlang, über sechzig elamitische Prinzen, an ihrer Spitze Urtakus Söhne Umman'igaš und Tammarit, flohen nach Assyrien, wo sie mit offenen Armen aufgenommen wurden. Statt die von Teumman geforderte Auslieferung derselben zu bewilligen, schickte Assurbanipal ein starkes Heer gegen den Usurpator. Am Euläos kam es zur Schlacht, Teumman wurde völlig geschlagen und mit seinem ältesten Sohn gefangen. Wie Assurbanipal behauptet, schlug ihm sein Neffe Tammarit selbst das Haupt ab, das in [135] Ninive ausgestellt wurde. Umman'igaš wurde in Susa zum König eingesetzt, Tammarit erhielt das Fürstentum Chidalu. Auf dem Rückmarsch wurden die Gambuläer niedergeworfen, ihre Hauptstadt Šapî-bel zerstört, die übrigen Rebellen in Babylonien gezüchtigt und die Führer des Aufstandes – einen Enkel Mardukbaliddins lieferte Umman'igaš aus – in den Hauptstädten des Reichs unter Martern hingerichtet (um 655). Zahlreiche Darstellungen der Kämpfe und Exekutionen bedecken die Wände des Palastes Assurbanipals.

Wenn auch Umman'igaš es nicht verschmäht hatte, sich durch assyrische Hilfe auf den Thron seines Vaters zurückführen zu lassen, so war er doch keineswegs geneigt, Elam in die Reihe der assyrischen Vasallenstaaten einzufügen. Vor allem aber scheint in der Bevölkerung ein starkes Unabhängigkeitsgefühl gelebt zu haben, welches den König zwang, die Politik seiner Vorgänger wieder aufzunehmen. So ließ er sich mit dem Vizekönig von Babylon, Assurbanipals Stiefbruder Šamaššumukin, in Unterhandlungen ein. Der letztere empörte sich gegen Assyrien (651/0), ganz Babylonien »Akkad, Chaldäa, die Aramäer, das Seeland« fielen dem Aufstande zu. Auch assyrische Statthalter, wie der Präfekt von Ur, schlossen sich an; im Seelande trat Mardukbaliddins Enkel Nabubelšumâte an die Spitze der Bewegung. Der König von Elam erhielt Subsidien und entsandte dafür ein Heer wie zur Zeit Mušezibmarduks (o. S. 62). Die Gutäer im Zagrosgebirge ergriffen die Waffen, und auch der Qedreerscheich Jauta' (var. Uaite' und bei Assarhaddon Ja'lu), der Sohn Chaza'els (o. S. 65), schüttelte die assyrische Herrschaft ab, schickte Hilfstruppen nach Babylon und begann die Kaufleute Syriens auszuplündern. Daß man auch mit Psammetich und den Lydern in Verbindung trat, ist wohl zweifellos. Der Bestand der assyrischen Herrschaft schien ernstlich in Frage gestellt270.

[136] Die Bewältigung der Gefahr verdankten die Assyrer mehr noch als ihrer Tapferkeit glücklichen äußeren Umständen. Als Umman'igaš seine Truppen nach Chaldäa schickte, wurde er von seinem Bruder Tammarit umgebracht, der als Haupt der assyrerfeindlichen Partei aufgetreten zu sein scheint und seinen Anteil an dem Tode Teummans offiziell ableugnete. Auch er behauptete die Herrschaft nicht lange, ein gewisser Indabigaš stürzte ihn und zwang ihn bei Assurbanipal Zuflucht zu suchen. Durch diese Wirren war die Kraft Elams lahmgelegt; Indabigaš war geneigt, mit Assyrien Frieden zu halten. So war es möglich, in dreijährigem Kampfe Babylonien zu bewältigen. Eine Stadt nach der anderen wurde wiedergewonnen, Nabubelšumâte mußte nach Elam fliehen, Babylon wurde belagert und durch Hunger zur Übergabe gezwungen. Šamaššumukin fand in den Flammen der Stadt seinen Tod, schwere Strafgerichte wurden über seine Anhänger verhängt (648). Ein neuer Herrscher wurde nicht eingesetzt: nach den Königslisten regierte von 647-626 Assurbanipal selbst (Beross. Sardanapallus, Ptol. Κινηλάδανος) über Babel. In der Stadt selbst geboten fortan königliche Statthalter. – Während dessen hatten die in Syrien stationierten Truppen den Jauta' besiegt, und der König von Moab bewältigte einen anderen Qedreerscheich Ammuladin. Auch der Fürst der fernen Nabatäer südöstlich von Palästina (Nabaiti, hebr. תיבנ), bei dem Jauta' Zuflucht gesucht hatte, huldigte den Assyrern.

Nach der Niederwerfung des Aufstandes forderte Assurbanipal von Elam die Rückgabe der in Südbabylonien gefangenen Assyrer, die Nabubelšumâte mit sich fortgeführt hatte, und die Auslieferung [137] des letzteren. Darüber scheinen längere Verhandlungen geführt zu sein, in deren Verlauf Indabigaš gestürzt und Umman'aldaš auf den Thron erhoben wurde. Neben ihm erscheinen andere Prätendenten, wie Umbagûa und Pa'e. So konnte Assurbanipal leicht in Elam eindringen. Die Grenzstadt Bit-imbî wurde erobert und Tammarit nach Susa zurückgeführt (um 645). Doch als dieser Miene machte, sich gegen die Assyrer zu wenden, wurde er gestürzt und gefangen abgeführt. Umman'aldaš gewann sein Reich zurück, aber zum drittenmal zog Assurbanipal gegen Elam und diesmal mit vollem Erfolg. Alle Hauptstädte des Landes wurden erobert und vor allem Susa ausgeplündert. Unter der reichen Beute befanden sich auch die Gelder, welche Šammaššumukin den Königen Elams für ihre Hilfe gezahlt hatte, und die vielen Beutestücke, welche die früheren Herrscher aus Babylonien fortgeführt hatten, darunter das uralte von Kudurnanchundi aus Uruk geraubte Bild der Nanaia (Bd. I, 602). Der Prätendent Pa'e wurde gefangen, Umman'aldaš unterwarf sich vollkommen und lieferte sogar die Leiche des Nabubelšumâte, der sich, als er sich verloren sah, selbst den Tod gegeben hatte, zu weiterer Verstümmelung an Assurbanipal aus. Wir erfahren noch, daß später die Elamiten sich wieder einmal gegen ihren König empörten und auch Umman'aldaš nach Assyrien flüchten mußte (frühestens etwa 640). Einen neuen Feldzug aber gegen Elam hat Assurbanipal nicht mehr unternommen (vgl. u. S. 144).

So bestand das assyrische Reich um das J. 640 noch im wesentlichen in dem Umfange und der Machtstellung, wie es Sargon begründet hatte. Daß mit Armenien noch immer freundliche Beziehungen existierten, ist schon erwähnt (o. S. 73). Die Herrschaft über Syrien war ungeschmälert, wenn auch Psammetich versucht haben mag, hier einzugreifen. Die neunundzwanzigjährige Belagerung von Ašdod durch den letzteren, von der dem Herodot erzählt wurde (II 157), weist auf derartige Kämpfe hin und mag schon um diese Zeit begonnen haben. Aber ein Aufstand der Phönikerstädte Akko und Usu wurde niedergeworfen (um 640), und in Samaria und anderen Städten Syriens siedelte Assurbanipal nach der Bewältigung Elams (frühestens 644) die aus [138] Uruk, Babel, Susa und anderen Orten fortgeführten Einwohner an (Ezra 4, 9f.). Als der über die Qedreer gesetzte Scheich Abijate' sich mit Natnu von Nabatäa und dem geflüchteten Jauta' in Verbindung setzte und die Raubzüge gegen Syrien erneuerte, wurden ihre Beduinenscharen durch einen raschen Feldzug zu Paaren getrieben, ihre Herden erbeutet, Kamele ohne Zahl nach Assyrien gebracht, die Führer des Aufstandes, soweit sie gefangen waren, hingerichtet271. Nur von einer Wiederunterwerfung der Nabatäer wird uns nichts berichtet.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 3, S. 134-139.
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