Die Schlacht am Eurymedon[496] 567

Der Streit der Parteien hatte Athen eine Reihe von Friedensjahren geschenkt; sein Ausgang hat zugleich die Wiederaufnahme des Kriegs gegen Persien entschieden. Zunächst mag die Empörung von Naxos (o. S. 472) dazwischengetreten sein; für Kimon und seine Partei war sie eine dringende Mahnung, sich nach so langem Zögern nunmehr mit um so größerem Eifer der Erfüllung der wahren Aufgaben des Bundes hinzugeben. So ging, wahrscheinlich im Jahr 466568, Kimon mit einer starken Flotte Athens [496] und der Bundesgenossen in See. Der Angriff richtete sich zunächst gegen die karischen Küsten. Die Griechenstädte, welche bisher noch nicht frei geworden waren, traten dem Bunde bei; von den karischen Küstenplätzen wurden nicht wenige erobert, andere mögen sich freiwillig angeschlossen haben. Das gleiche tat der lykische Städtebund, der vermutlich schon vorher die persische Oberhoheit abgeschüttelt hatte. Nur die rhodische Kolonie Phaselis, die blühende Handelsstadt an der Ostküste Lykiens, verweigerte den Anschluß und mußte belagert werden. Schließlich vermittelten die Chier ihre Unterwerfung. Phaselis zahlte zehn Talente und verpflichtete sich zur Heeresfolge; seine Stellung zu Athen im Prozeßrecht wurde nach den für Chios geltenden Vertragsbestimmungen geregelt569.

Nach dem Scheitern der großen Invasion hatte die persische Regierung sich völlig passiv verhalten; sie hatte die kleinasiatischen Griechen und die Festungen in Thrakien dem athenischen Angriff ohne Unterstützung preisgegeben. Vielleicht hatten Pausanias' Verheißungen ihre Energie noch weiter gelähmt. Jetzt aber, bei dem neuen Angriff auf ihre asiatischen Besitzungen, der weit größere Dimensionen annahm als irgend ein früherer, konnte sie unmöglich untätig bleiben. So zog sie an der Küste Pamphyliens eine starke Flotte und ein Landheer zusammen; die nächste Aufgabe war die Verteidigung Lykiens und der Südküste Kleinasiens. Aber Kimon kam dem Angriff zuvor; seit der Schiffsbau durch Themistokles vervollkommnet war und Kimon die Schiffe breiter gemacht und ein durchgehendes Verdeck eingeführt hatte, auf dem die Kämpfer sich rasch und frei bewegen konnten, fühlten die Athener sich auch technisch den Phönikern [497] überlegen. Die persische Flotte von 200 Schiffen lag an der Mündung des Flusses Eurymedon; sie erwartete von Cypern noch einen Zuzug von 80 weiteren phönikischen Schiffen. Daher suchte der Oberfeldherr Ariomandes, Sohn des Gobryas, den Kampf zu vermeiden; als Kimon heranfuhr, zog er die Flotte in die Mündung des Flusses zurück. Trotzdem ging Kimon zum Angriff vor. In dem engen Raum war die phönikische Flotte unfähig zu manövrieren oder überhaupt Widerstand zu leisten; die Bemannung verließ die Schiffe und flüchtete unter den Schutz des Landheeres. Kimon schwankte keinen Augenblick; er führte seine Krieger ans Land zum Sturm auf die feindliche Stellung. Auch diesmal erlagen die persischen Bogenschützen den griechischen Lanzenkämpfern; in hartem Kampf wurden die persischen Truppen geworfen, der herrlichste Sieg errungen. Durch die Entscheidung des Landkampfs war die persische Flotte verloren; sämtliche Schiffe, soweit sie nicht in den Grund gebohrt waren, fielen den Siegern in die Hände. Auch den von Cypern herankommenden Sukkurs gelang es abzufangen und zu vernichten. Mit unermeßlicher Beute kehrte Kimon heim; der Versuch des Perserreichs, dem Angriff der Athener entgegenzutreten, hatte mit einer vernichtenden Niederlage geendet, ehe er sich überhaupt hatte entwickeln können.

Der schöne Sieg war von weittragenden Folgen. Zwar ein weiteres Vorgehen im Ostmeer lag zur Zeit noch außerhalb der Grenzen der attischen Politik, und auch an eine Eroberung und Behauptung des abgelegenen und innerlich dem nationalen Leben Griechenlands gänzlich fernstehenden Pamphyliens war nicht zu denken. Aber daß die Perser noch einmal versuchen sollten, den Griechen entgegenzutreten, war nicht zu erwarten. Das Ägäische Meer konnte fortan, trotz der Fortdauer des Kriegszustands, als völlig befriedet gelten. In den nächsten Jahren zeigte Perikles mit 50, Ephialtes mit 30 Schiffen die attische Flagge im lykisch-pamphylischen Meer, ohne einer Spur des Feindes zu begegnen570. So war denn auch der Besitz der neugewonnenen Gebiete einstweilen gesichert. Phaselis, der lykische Städtebund, alle Küstenplätze Kariens und mehrere karische Dynasten, ferner im Binnenlande [498] Mylasa, Pedasos, Hyromos u.a. sind jahrzehntelang tributzahlende Bundesmitglieder gewesen. Spätestens um dieselbe Zeit ist auch Halikarnaß eingetreten, wo nach dem Tode der Artemisia, der klugen Herrscherin, die im Heere des Xerxes die fünf Schiffe von Halikarnaß und den ihm untertänigen Inseln Kos, Nisyra und Kalymna geführt hatte, ihr Sohn Pisindelis und ihr Enkel Lygdamis sich noch längere Zeit behauptet hatten. Die Versuche, die Tyrannis zu stürzen, waren gescheitert; einer der letzten Nachzügler des alten Epos, Panyassis, der Sänger der Taten des Herakles und der Kolonisation Ioniens, aus Halikarnassischem Adelsgeschlecht, hatte durch Lygdamis den Tod gefunden. Die Inseln wird man früh an Athen verloren haben; ob Lygdamis noch selbst in den Bund eingetreten ist, oder ob der Sturz der Tyrannis mit dem Anschluß an Athen zusammenfällt, ist nicht zu entscheiden571. In dieselbe Zeit mag die Ordnung der Verhältnisse in Erythrä und Kolophon gehören (o. S. 472). Auch Ephesos, das bei der Flucht des Themistokles noch persisch war, wurde Mitglied des Bundes. Am Hellespont ist Lampsakos wahrscheinlich erst jetzt zum Bunde gekommen (o. S. 492, 1), und mit ihm das ganze Binnenland von Troas mit den Städten Kebrene und Skepsis (Σκᾶψις) am oberen Skamander, Zeleia am unteren Äsepos. Nur die Bergfeste Gergis, hoch über dem Skamander an seinem Eintritt in die Mündungsebene, wo allein sich die teukrische Nationalität erhalten hatte (Bd. III2 S. 432, hat sich dem Bund ferngehalten. Das gleiche gilt von Adramytion, der lydischen Kolonie südlich vom Ida572, und dem Teuthranischen Küstenland, sowie vom innersten Winkel [499] des Smyrnäischen Golfs, den die Perser behaupteten – Smyrna selbst lag seit Alyattes in Trümmern (Bd. III2 S. 571. Die äolische Küste zwischen Kaikos und Hermos gehörte natürlich zum Bund; von Kyme waren wohl die Äolerstädte im Hermosgebiet abhängig573. Tiefer ins Binnenland ist dagegen hier, in der Nachbarschaft der persischen Hauptstadt Sardes, Athen niemals vorgedrungen; Magnesia am Sipylos hat so wenig je zum Bunde gehört wie Magnesia am Mäander, die Residenz des Themistokles. – An der Propontis gehören alle Griechenstädte zum Bunde, und nicht minder manche Barbaren, so an der thrakischen Küste Tyrodiza, ferner die Myser der Arganthoniosakte, die wenigstens eine Zeitlang (454 v. Chr.) 2000 Drachmen (1800 Mark) gezahlt haben. Ferner erscheint in den Listen ziemlich regelmäßig Daskylion mit 500 Drachmen (450 Mark)574. Das kann allerdings nicht der Satrapensitz sein, sondern entweder ein gleichnamiger Ort oder vielleicht ein Vorort der Residenz an der Küste. Dagegen haben die Tyrsener (Etrusker), welche nach ihrer Verjagung aus Lemnos und Imbros durch Miltiades in Plakia und Skylake zwischen Kyzikos und der Rhyndakosmündung eine neue Heimat gefunden hatten, niemals zum Bunde gehört. – In Thrakien hatten die Perser sich nach Kimons erstem Feldzug 476 noch in Doriskos an der Hebrosmündung und an einigen Punkten der Chersones behauptet. Hier griff sie Kimon jetzt im Jahr 465 an; mit vier Trieren fing er ihnen 13 Schiffe weg und schlug sie aus der Halbinsel heraus575. Da brach ein Konflikt mit Thasos aus, der [500] weitere Operationen unmöglich machte. So ist Athen nie in den Besitz von Doriskos gelangt; der tapfere persische Kommandant Maskames scheint den Ort schließlich an die Thraker überlassen zu haben.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 61965, Bd. 4/1, S. 496-501.
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