Leuchter

[587] Leuchter, lat. candelaria, lucerna, frz. chandelier. Die Leuchter der fränkischen Zeit sind eine Nachbildung der römischen und griechischen Vorbilder, die sie zwar nicht erreichen. Sie sind zumeist aus Holz gedreht, roh profilierte Ständer, oben mit einer Dülle zur Aufnahme des Öls oder der Kerze, unten mit einem einfachen, viereckigen Fuss. Daneben kommen auch hohlgegossene Geräte aus Rotkupfer vor, so der Tassiloleuchter, zwar wahrscheinlich dem 11. Jahrhundert entstammend, obgleich ihn die Überlieferung auf Tassilo zurückführt, der zu Karl des Grossen Zeit als Gefangener im Stifte zu Kremsmünster starb.

Bestimmte Formen von symbolischer Bedeutung erhielten die Leuchter wohl erst zur Zeit der Kreuzzüge, wo für den kirchlichen Gebrauch die Lampen und Fackeln von den Wachskerzen verdrängt werden; der Leuchter wird also zum Kerzenhalter und unterscheidet sich in Stand-, Hand-, Wand- und Hängeleuchter, neben welchen man für privaten Gebrauch und vereinzelte Zwecke die kleinen Öllampen beibehielt. Alle wurden nun zumeist aus Bronze oder Messing gegossen und etwa auch vergoldet oder emailliert. Die grossen Standleuchter (auch bloss Kandelaber genannt, welche Bezeichnung ursprünglich allein dem Fusse zukam) sind ohne Zweifel hervorgegangen aus der marmornen Säule der altchristlichen Basilika, sie trugen die geweihte Osterkerze und erhielten durchschnittlich eine Höhe von fünf bis neun Fuss. Sie standen zur Seite des Altars und hatten entweder die Gestalt einfacher Ständer für ein Licht oder die eines Gestelles zur Aufnahme einer grösseren Zahl von Kerzen. In Nachahmung des Leuchters im Tempel zu Jerusalem wurden viele siebenarmig erstellt und in dieser Form auch Arbores genannt. Im Dome zu Erfurt z.B. findet sich eine fast fünf Fuss hohe Erzstatue mit starrausgebreiteten Armen, langem, gleichmässig gefälteltem Kleide, welche noch gegenwärtig den Zweck eines Lichterträgers erfüllt. Sie entstammt dem 11. oder dem Anfang des 12. Jahrhunderts. Die Ständer dienten auch zur Aufstellung von Heiligenbildern, Reliquienschreinen u.s.w. Die siebenarmigen Leuchter haben meist ein dreieckiges Fussgestell, das in den mannigfaltigsten Formen durchbrochen mit allerlei Zierat geschmückt ist, mit Bändern, Ranken, Menschen- und Tierfiguren. Auf diesem Fussgestell ruht ein senkrechter, vielfach verzierter Schaft, der oben eine Kerze trägt. Die übrigen sechs ruhen auf seitwärts aufsteigenden Armen, die – je zwei und zwei gegenständig – in verschiedener Höhe entspringen und zwar nicht im Wechsel, sondern in gleicher Richtung übereinander. Sie endigen oft pyramidal, oft in gleicher Höhe.

Die Hand- oder Trageleuchter[587] waren meist nur sechs bis zehn Zoll hoch und geformt, so dass sie bequem gestellt, angefasst und getragen werden konnten. Sie waren besonders für die dienende Hand des Mesners und des Akoluthen bestimmt. Der Fuss war ebenfalls dreiteilig, der Schaft kurz, gedrungen, in der Mitte mit einem Knauf, oben erweitert oder oft mit einer tellerförmigen Ausladung versehen. In deren Mitte stand zur Befestigung der Kerze ein hoher, spitziger Stift. Alle Teile waren mehr oder weniger reich verziert oder auch vergoldet. Im Chor des Domes zu Hildesheim steht ein solcher, der laut seiner Inschrift aus einer ganz besonderen Metallmischung gefertigt worden. Sie lautet: »Bischof Bernward liess diesen Leuchter durch seinen Lehrling im ersten Aufblühen dieser Kunst weder von Gold noch von Silber beschaffen, aber dennoch wie du siehst schmelzen.« Die Masse ist Gold, Silber und Eisen.

Die Kronleuchter oder Hängeleuchter (corona, coronula) treten im elften und zwölften Jahrhundert schon in köstlichen Exemplaren auf. Erhalten sind unter anderen zwei solche in der Domkirche zu Hildesheim und eines in der Münsterkirche zu Aachen. Die ersteren führen sich durch ihre Inschriften auf die Bischöfe Azelin (gest. um 1054) und Mezilo (gest. um 1079), das letzte auf Friedrich I. zurück. Alle drei kommen darüber überein, dass sie aus einem ziemlich breiten, kreisförmigen, durchbrochenen Reifen bestehen, an dem in bestimmten Zwischenräumen kleine turmartige Ausladungen mit Nischen zur Aufstellung von Figürchen und zwischen diesen, am oberen Rande, Kerzenstacheln angebracht sind, und dass sie von mehreren, miteinander verbundenen Ketten gehalten werden. Der schönste ist der bronzene Leuchter zu Aachen. Dieser – wie noch andere seiner Art das himmlische Jerusalem darstellend – wird aus acht Kreisbogen gebildet und zwar, wie dessen Inschrift besagt, auf Grund der achteckigen Gestalt des Münsters, nächst dem aber aus sechzehn Türmchen, welche sich teils an den Scheitelpunkten, teils an den Endpunkten der beiden Bogen befinden. Die Türmchen sind verschiedengestaltig, acht grössere, die anderen kleiner, letztere rund, erstere in ihrem Grundriss abwechselnd in Gestalt eines Quadrats oder Vierblattes mit halbkreisförmigen, ausbiegenden Seiten. Die sämtlichen Türmchen sind so angeordnet, dass von ihnen jene viereckigen die Ecken eines Quadrates bilden, dessen Ecken jedesmal ein Segment mit drei anderen Türmchen abschneidet, und dass jene anderen vermöge ihrer halbkreisförmigen Ausladungen den acht runden Türmen auf den Scheitelpunkten gleichstehen. Alle enthalten Nischen, in denen anfänglich ohne Zweifel Heiligenfiguren aufgestellt waren. Die Bodenstücke der Türmchen sind auswärts mit gravierten Zeichnungen auf vergoldetem Grunde geschmückt, dergestalt, dass die acht grösseren und die acht kleineren Darstellungen inhaltlich zusammenhängen. Sie behandeln die Geschichte Christi und zeigen: Die Verkündigung, die Geburt, die Anbetung der Könige, die Kreuzigung, die Frauen am Grabe, Himmelfahrt, Ausgiessung des heiligen Geistes und Christus als Weltenrichter. Daneben finden sich die acht Seligsprechungen auf Spruchzetteln ebensovieler Engel. Die Tafeln erscheinen rostartig durchbrochen und mit Ranken und anderem Zierat reich ausgeschmückt.

Die Wandleuchter und die Trageleuchter zum Vorleuchten bei Prozessionen kamen erst später (frühestens im 15. Jahrhundert) in Gebrauch, zum Teil als künstliche Schmied- und Schlosserarbeit.[588]

Die Abbildungen von Öl- und Hohllampen reichen bis ins 9. Jahrhundert hinauf; sie zeigen namentlich die Form von Hörnern und Delphinen, dann auch von Schalen und Ampeln, wie sie die orientalischen Völker gebrauchten. Sie sind aus Bronze gefertigt und nach römischen Mustern mit einer oder mehreren Tüllen versehen. Die sog. ewigen Lampen vor Heiligenbildern und Reliquienschreinen sollen im 13. Jahrhundert in Gebrauch gekommen sein. Die Lampen dienten vorzüglich dem privaten Gebrauche, während die Leuchter und somit die Kerzen auf den Gebrauch in den Kirchen beschränkt blieben; wenn solche im 10. Jahrhundert schon für den täglichen Gebrauch erwähnt werden, so mag das höchstens auf die Häuser der Vornehmen und der Geistlichkeit Bezug haben.

In der Folgezeit waren das Handwerk und die Kunst bemüht, für alle diese Beleuchtungsgegenstände neue Formen und Verzierungen zu ersinnen; die Arten derselben erhielten sich jedoch und vermehrten sich nur noch etwa durch die Laterne, die wieder fast ausschliesslich zu kirchlichen Zwecken diente. Vom Beginne des 16. Jahrhunderts, besonders aber im 17. Jahrhundert fand bei diesen Beleuchtungsgeräten neben dem dem Zeitgeschmack entsprechenden Wechsel in bezug auf Form und Verzierungsweise auch eine solche hinsichtlich des Stoffes statt. Wenn auch metallene Geräte und steinerne Standleuchter immer noch vorherrschend blieben, so schnitzte man solche auch aus Holz und verzierte sie mit Gold. Daneben kommen auch Elfenbeinschnitzereien vor und in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch Arbeiten in Glas, aus welchem Stoff das ganze Gerät oder auch bloss die Verzierungen zu grösseren Stücken bereitet wurden. Hölzern waren besonders die grossen Standleuchter, elfenbeinern die (mehrarmigen) Tischleuchter und Hängekronen, gläsern die Lichtständer und Handleuchter. Die Wand- und Windlichter (Laternen) dagegen blieben auch jetzt noch fast ausschliesslich Gegenstände der Metallarbeit. Nach Weiss, Kostümkunde.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 587-589.
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