Augustinus

[336] Augustinus, Aurelius, St., wurde den 13. Nov. 353 zu Tagaste unweit Hippo in Nordafrika geboren; sein Vater Patricius war ein vornehmer Heide, der sich erst gegen sein Lebensende bekehrte, seine Mutter Monica dagegen eine fromme Christin und zärtliche Mutter. Er besuchte als Knabe die Schulen seines Heimathortes, als Jüngling studierte er in dem benachbarten Madaura Grammatik, Rhetorik und Poetik, verfiel aber noch nicht 16-jährig böser Gesellschaft und trotz der Thränen seiner Mutter machte er das ausschweifende Leben mit, wie es freilich bei den röm. Jünglingen jener Zeit gewöhnlich und nach der klassischen Lebensanschauung auch nicht besonders zu tadeln war, sofern es nur nicht an der Befähigung zum praktischen Leben hinderte. Darauf studierte er in Carthago, und obgleich er sich von den Banden der sinnlichen Leidenschaft nicht frei machte, so durchdrang ihn doch der Eifer nach wissenschaftlicher Ausbildung und ein brennender Ehrgeiz; er war unbefriedigt und fand keine Ruhe, da er sie nicht aus der rechten Quelle schöpfen wollte; denn die katholische Lehre verschmähte er damals, die alte Philosophie genügte ihm nicht und auch die Manichäer, die ihn volle 8 Jahre anzogen, vermochten es keineswegs, den Anforderungen seines scharfen Verstandes und tief aufgeregten Gemüthes zu entsprechen. Nachdem er in Tagaste und Carthago Grammatik und Rhetorik mit vielem Beifall gelehrt hatte, ging er 30 Jahre alt nach Rom, gefiel sich aber dort nicht und folgte einem Rufe nach Mailand, wohin ihn seine Mutter und mehrere Freunde begleiteten. Die Predigten des hl. Ambrosius besuchte er zuerst nur in der Absicht, in der Redekunst etwas zu gewinnen, unvermerkt aber drang deren Inhalt in sein Herz und verstärkte den Kampf, der das ganze Wesen A.s erschütterte. Wissensdrang und Wissensstolz empörte sich gegen die christliche Pflicht des kindlichen Glaubens, der Ehrgeiz gegen die Demuth, die Sinnlichkeit gegen die Enthaltsamkeit; er fand keine Ruhe in der Stadt, keine Ruhe in der Einsamkeit, bis ihm die göttliche Gnade die Wiedergeburt gab. Am Vorabende vor Ostern 387 wurde er mit seinem Sohne Adeodatus und seinem Freunde Alypius durch den hl. Ambrosius getauft. Nach seiner Taufe kehrte er nach Afrika zurück, doch veranlaßte der Tod seiner geliebten, durch seine Bekehrung glücklichen Mutter zu Ostia einen längern Aufenthalt in Rom, während dessen er mehrere Schriften verfaßte. 388 weilte er mit Freunden auf seinem kleinen Gute bei Tagaste, entschlossen in der Zurückgezogenheit zu leben, aber 391 wurde er zu Hippo gegen seinen Willen zum Priester geweiht, denn Volk und Bischof zwangen ihn, der sich durch seine Schriften bereits [336] einen allgemein geachteten Namen erworben hatte. Im J. 395 wurde er Bischof von Hippo und war unermüdlich thätig in seinem Amte nach allen Richtungen, wirkte aber zugleich in die größte Ferne durch seine Briefe und Schriften; er war eine Leuchte seiner Zeit u. wurde als solche von der Christenheit anerkannt. Alle Kämpfe, welche sein Jahrhundert bewegten, fanden in ihm einen gerüsteten Streiter, die der heidnischen Philosophie wie der heidnischen Religion; die Häresien der Manichäer, Arianer, Pelagianer widerlegte er siegreich, ebenso die Spaltung der Donatisten, welche ihre eigene Ueberzeugung der christlichen gegenüber geltend machen wollten; und neben so vielen polemischen und apologetischen Schriften fand er noch Zeit zu verschiedenen andern belehrenden und erbauenden Inhalts, zu zahlreichen Briefen und Abhandlungen. In seiner Diöcese führte er einen gemeinsamen Haushalt, dadurch zugleich die durchgreifendste Disciplin ein. Was von dem kirchlichen Einkommen neben dem Unterhalt des Klerus erübrigte, verwandte er auf die Erbauung von Kirchen und die Armenpflege. Das Klosterleben verdankt ihm viel, denn er empfahl es, drang auf Regelung desselben und führte es, so weit es thunlich war, bei seiner Geistlichkeit ein. Er erlebte noch den Einbruch der Vandalen in Afrika; sie umlagerten Hippo, als der Heilige den 28. Aug. 430 in einem Alter von 76 Jahren verschied. Von seinen Schriften besorgte eine Gesammtausgabe in 11 Foliobänden die Congregation der Mauriner in Paris (1679 bis 1700); eine neue vervollständigte Ausgabe besorgte Caillau in 41 Quartbänden, Paris 1842. Seine »Bekenntnisse« (confessiones) sind unter dem nichttheologischen Publikum am meisten verbreitet und haben schon auf manches zerrissene Gemüth zum Heile gewirkt; sein Werk »vom Staate Gottes« (de civitate Dei) ist in Anlage und Ausführung so großartig, daß es vorzugsweise ein klassisch-christliches genannt werden kann und das Studium eines jeden verdient, der Latein gelernt und die Gymnasialbildung erhalten hat.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 336-337.
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